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Swakopmund ist Namibias Perle am Atlantik - und ein bisschen deutsch

5/7/2014

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Swakopmund gilt als "deutscheste Stadt Namibias", als ein Ostseebad am Atlantik. Vor allem aber ist es Namibias beliebtester Küsten- und Ferienort, der längst ein modernes Antlitz angenommen hat. Mit Sandboarding, Sundowner und Schwarzwälder Kirschtorte. 

Swakopmund ist aus dem Meer gestiegen wie ein Seeungeheuer. Das kann man denken, hier zwischen der scheinbar endlosen Geröll- und Sandwüste Namib und dem rauen Atlantik, dessen harte Brecher mit Macht an die Küste donnern. Tatsächlich hat sich das Städtchen mit seinen wilhelminischen Bauten aus dem Meer entwickelt. Die Deutschen schafften zur Kolonialzeit alles mit Schiff herbei: Baumaterial, Trinkwasser, Pferde, Bettlaken. Swakopmund sollte Seehafen für die Kolonie Deutsch-Südwest sein.

 Erstaunlich, dass die deutschen Schutztruppler und Pioniere ausgerechnet hier von Bord gingen, mag man ebenfalls denken. Hinterm heutigen Ortsausgang folgt ewig nichts als Sand und Geröll. Immerhin ist das Wetter hier oft seltsam unafrikanisch: Weht der Wind von See, schiebt er zuweilen gewaltige Nebel zusammen und drückt sie durch die Straßen, die hier teilweise noch nach Bismarck oder Leutwein heißen. 

In der palmengesäumten Strandstraße an der Promenade an einem deutschen Schulhaus, das so auch in Brandenburg oder Pommern stehen könnte, schlendert ein Schwarzer vorbei und grüßt einfach mal freundlich auf Deutsch: "Guten Tag, wie geht's?" Swakopmund ist, so sagt man gern, die "deutscheste Stadt" Namibias. Die deutsche Sprache ist hier so präsent wie sonst nirgends im Land, die Gebäude - jetzt zum Teil knallig gelb und orange angestrichen - offenbaren ihren deutschen Ursprung sofort. Wobei, deutsch? 
"Swakop" ist längst modernes Seebad

Swakopmund ist längst nicht mehr so, wie es einst im Reiseführer beschrieben wurde: Es ist kein schwarz-weiß-rotes Disneyland mehr, auch wenn die Stadt ihren reichskolonialen Ursprung kaum verbirgt. "Swakop", wie die Namibier es liebevoll nennen, ist modernes Seebad und Namibias Top-Attraktion an der Küste. Viereinhalb Stunden Autofahrt sind es von der Hauptstadt Windhoek aus bis hier, und wohlhabendere Windhoeker nutzen verlängerte Wochenenden gern, um am Atlantik Abkühlung zu suchen. Wie gesagt: Kommt der Wind vom Meer mit seinem kalten Benguela-Strom, wird es frisch wie in einem deutschen Seebad. 

Dann sind feine, seidene Nebel weithin sichtbar, wenn man sich der Stadt von der Wüste aus nähert, und ein paar Kilometer vor der Küste drückt die Kälte plötzlich durch die Windschutzscheibe. Die "Welwitschia", eine Pflanze die nur aus einem einzigen, in unzählige Kräusel zerfaserten Blatt besteht, hält sich hier als Repräsentant der kargen Vegetation. Mit ihren tentakelhaften Ärmchen saugt sie Feuchtigkeit aus der Luft. 


Viele Windhoeker verbringen gern auch die Weihnachtsferien hier draußen. Dann wird das Landesinnere Namibias von brüllender Hitze beherrscht und man trifft sich an der Küste und spielt Volleyball unter Palmen am Strand, die Salzluft sticht in der Nase. Hier an Strand und "Arnold-Schad-Promenade" zeigt die Stadt sich weltoffen: Schwarze und Weiße schätzen den Spaß am Meer gleichermaßen, mischen sich. 


>> Auf den Link klicken für einen 360-Grad-Blick von der Mole auf Swakopmund und den Atlantik

#360panorama jetty in #swakopmund #namibia http://t.co/zpJOnLJSWj

— Sebastian Geisler (@sgeisler_) 5. Juli 2014
Deutschstämmige Swakopmunder sind dennoch etwas auf der Hut, wenn die Presse kommt: Der Wirt im "Swakopmunder Brauhaus", ein fröhlicher, zupackender Typ, will seinen Namen nicht sagen. Der eingewanderte Deutsche hat schlechte Erfahrungen gemacht mit Zeitungen aus seiner Heimat. "Die wollen hier nur Schwarz-Weiß-Rot sehen und schreiben dann, wir seien Rassisten und Ewiggestrige." Und dann holt er plötzlich doch sein Fotoalbum vom Regal und zeigt stolz, wie sie das Brauhaus wieder aufgebaut haben. "Abgebrannt. Nach einem Vierteljahr stand es dann wieder", sagt er und klopft auf den Thresen, an dem seine schwarzen und weißen Angestellten behände Bier zapfen. 

Den "Spiegel" lesen im "Swakopmunder Brauhaus"

Wieder aufgebaut übrigens in derselben deutschen Optik wie zuvor, mit Fachwerk-Anmutung und spitzen Giebeln. "Das wäre auch gar nicht anders gegangen", sagt der Mittvierziger. "Die Stadtverwaltung hat uns das zur Auflage gemacht." Der Swapo-geführte Stadtrat drängte auf die Einhaltung des deutschen Stils, den die "Brauhaus Arkaden" genannte Einkaufszone kennzeichnet. In den Auslagen sieht man hier Straußenlederschuhe, deutschsprachige Bücher wie in der "Swakopmunder Buchhandlung", wo Bücher von Helmut Schmidt und Karl-Theodor zu Guttenberg so selbstverständlich angeboten werden wie der "Spiegel", die deutsche "Mickey Maus", "Lustige Taschenbücher", "Das Goldene Blatt", "Welt am Sonntag" oder der "Focus". 

Hier arbeitet auch, einen Tag in der Woche, Christian Stiebahl. Der Liebe wegen kam er vor Jahren ins Land. Inzwischen ist er vor allem gefragter Fotograf, schießt gestochen scharfe oder sanft-milchige Hochzeitsfotos in den Dünen, ganz wie gewünscht, von schwarzen und weißen und immer häufiger auch schwarz-weißen Brautpaaren. Auch mit dem Kleinflugzeug schwebt er schon mal auf einer Lodge ein, um einen Urlaub zu dokumentieren. Die starke Sonneneinstrahlung in Namibia lässt die Farben HD-artig leuchten - zumindest, wenn in Swakop nicht der Nebel in den Straßen klebt, aber das gibt es so ja nur hier an der Küste. 

 "Very nice", findet Mitarbeiter Rudolph - ein Schwarzer mit deutschem Namen - dieses ganze seltsam deutsche Stadtbild. "Die Häuser aus der Gründerzeit stehen doch bis heute", sagt er auf Englisch. Mancher Zweckbau, den Südafrikas Apartheid-Regime während seiner Fremdherrschaft über Namibia errichten ließ, verschwand früher wieder. 


Nebenan im "Café Treffpunkt" begrüßen einen die schwarzen Angestellten auf Deutsch, egal in welcher Sprache man bestellt. Da gibt es Schweineohren und Schnitzelbrötchen, Latte Macchiato und Schwarzwälder Kirschtorte, außerdem "Pumpernickel" und "Berlinerland Bread". 

Von Kaiser Wilhelm zu Sam Nujoma 


Früher hieß die Straße, an der die beiden Geschäfte liegen, „Kaiser-Wilhelm-Straße“. Bis 2002 die Politik entschied, die Straße nach dem Gründungspräsidenten „Sam Nujoma Avenue“ zu nennen. Damals noch sehr zum Unmut der deutschen Anwohner. Einige brachten trotzig Schilder an ihren Häusern an, die den alten Namen übergroß präsent halten.  Auch die „Adler-Apotheke“ mit alten deutschen Arzneidosen und Waagen weist sich noch als „Kaiser-Wilhelm-Str 14“ aus, ein Stück die Straße hinunter befindet sich das „Bismarck Medical Centre“. Nebenan hat sich die „Bismarck St.“ ganz offiziell halten können. 

Hier liegt der Damara-Turm der Woermann-Reederei, ein hoher Ausguck, der aufwendig renoviert zu einem der Wahrzeichen Swakopmunds geworden ist. Von hier sichteten die Woermann-Mitarbeiter einst die ankommenden Schiffe und nahmen mit ihnen über große Spiegel Kontakt auf. Heute kann man sich von hier aus einen guten Überblick über die Stadt verschaffen – oder einfach auf den kühlen Atlantik blicken.

Straßennamen? "Wir sagen sowieso eher 'auf der Hauptstraße' oder 'am Turm", sagt der Brauhaus-Betreiber. Ihm gehört anteilig auch das Restaurant "Zum Kaiser", das sie vor ein paar Jahren hier aufgemacht haben. Der Name, sagt er, sei eher Gag denn Glorifizierung alter Zeiten, an die sich hier eh keiner erinnern kann, viel zu lange her ja auch. "Wir gehen hier lockerer damit um." Mit dem Kaiser und deutschem Imperialismus aus dem 19. Jahrhundert habe er nichts am Hut, er liebe einfach das Land hier. 

"Anton aus Tirol" in der "Stadtmitte"-Passage

So recht nimmt auch niemand Anstoß am deutschen Erbe hier. Neben dem Restaurant, hin zur Straße "Am Zoll", finden sich nun die "Kaiser Wilhelm Chalets", die gab es vor ein paar Jahren noch gar nicht. Auch der "Stadtmitte"-Komplex zeigt ein "Erb. 2004" und drinnen plärrt - "Ich bin so schön, ich bin so toll" - "der Anton aus Tirol" aus den Lautsprechern. Am Fuße des "Alten Bezirksgerichts" verkaufen junge schwarze Männer afrikanische Schnitzereien, Holzgiraffen, Makalani-Nüsse. Der Stadtrat wäre vor allem die Nuss-Verkäufer lieber los. Sie verwickeln Touristen ins Gespräch, schnitzen deren Namen in die Nuss und wollen sie dann für ein paar Münzen losschlagen. 


Weht der Wind kräftig aus der Wüste, peitscht er den Sand in jede Ritze. Eilig schließen die Geschäfte dann ihre Türen, werden Sonnenschirme zugeklappt. Die feinen Sandkörner brennen in den Augen, als Swakopmunder bleibt man dann lieber zuhause. Später fegen sie hier - in einer der größten Wüsten der Welt! - ganz im Ernst den Sand vom Bürgersteig. Vorm "Hotel Deutsches Haus", Eisbein und Sauerkraut auf der Mittagskarte, harken die Angestellten jeden Morgen am Grundstück die Sandstraße, ehe bis in den Abend Paulaner Weißbier und Windhoek Lager gezapft wird. Anders als in der Hauptstadt gibt es hier auch kaum hohe Mauern mit Schockdraht, viele Zäune könnte man problemlos übersteigen; die Kriminalität ist weit geringer. 

Für die Freizeit wird in Swakopmund viel geboten: Drachenfliegen, Fallschirmspringen, Rundflüge mit kleinen Cessnas, Bootsausflüge, Quad-Biking in den Dünen, all so etwas ist möglich. Besonders Coole besteigen die nahe "Düne 7" bei Walvis Bay übrigens nicht nur, sie brettern mit dem Snowboard wieder hinab. Viele brettern leider auch über die Straße nach Walvis Bay. Auf der "Todespiste" genannten Strecke kommt es immer wieder zu schweren tödlichen Unfällen, vor allem bei Nebel, alle paar Monate mal fährt zudem ein LKW den "Nelson Mandela"-Kreisverkehr am Ortseingang um. 

Das einstige Township Mondesa ist natürlich kein Vergleich zum historischen Stadtzentrum, aber es wirkt mit seinen rechtwinkligen Straßen verblüffend geordnet. Eine arme, aber keine Elendssiedlung, und insgesamt aufstrebend. Selbst vor einigen Wellblechhütten stehen Männer und waschen etwa alte Mercedes-Autos oder sogar neue VW Polos. Hier etabliert sich zusehends eine neue Mittelschicht. Kleinunternehmer betreiben Shebeens, die kleinen Bars in Wellblechhütten, Autowaschanlagen, Friseur-Shops oder kleine Bottle Stores. 

Die Stadt wächst rasant nach Norden - Nirgends weltweit stiegen Immobilienpreise zuletzt so sehr wie hier in Namibia, nicht in New York und nicht in Berlin 

Gewaltig ist die Stadt in den vergangenen Jahren gewachsen. Die Wohngebiete greifen nun weit nach Norden aus, Hauptstraßen wie die "Dr. Schwietering"-Street wurden einfach verlängert, akkurat gepflastert mit grauen Verbundsteinen, übrigens. Hier gibt es sogar mehrere aufgetünchte Fahrradwege. Jede Menge Bauland wird neu erschlossen, die Preise entwickeln sich rasant. Nirgendwo weltweit stiegen sie dieses Jahr in so kurzer Zeit so sehr wie hier in Namibia, man spricht von rund 30 Prozent in kaum vier Monaten. Auf Platz zwei liegt übrigens Polen. 

 Nicht zuletzt durch den Verkauf neuer Grundstücke hat Swakopmund es geschafft, in diesem Jahr einen praktisch ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Seit sich weiße wie schwarze Swakopmunder in einer "Nachbarschaftswache" zusammengeschlossen haben und mit gelben Leuchtwesten und Funkgeräten durch die Wohnviertel patrouillieren, ist auch die Zahl der Haus- und Autoeinbrüche spürbar zurückgegangen.

Gewiss, dann und wann wird ein Gründerzeitbau abgerissen, historisches Erbe hin oder her. Neue Gebäude bekommen oftmals dann doch noch deutsche Namen wie "Atlantik-Sicht", "Molensicht", "Brückenblick" oder "Am Zoll Flats". Zur Zeit sind, sagt man, auch viele Rentner aus Deutschland hier im Land. Der Wechselkurs zum Namibia-Dollar steht günstig, ihre Kaufkraft ist ordentlich. Sorgen machen sich einige Swakopmunder derzeit wegen des angekündigten "Gecko-Chemieparks", der nahe der Stadt bei den Uranminen entstehen könnte. Mit ihm dürfte eine erhebliche Umweltbelastung einhergehen. 

Nächstes Großprojekt ist aber erst mal der "Bahnhof Square" mitten in der Stadt. Das soll ein gläserner Shopping-Komplex mit Gleisanschluss werden. Der ganz alte Bahnhof ist heute Luxus-Hotel und Casino. Wo einst Züge hielten, liegen die Hotelgäste auf Liegen oder treiben im Pool. Vor dem Gebäude ist neben der namibischen auch eine bundesdeutsche, aber auch eine südafrikanische Fahne gehisst, auf dem Parkplatz davor ist noch ein mit Steinen eingelassener Reichsadler zu erkennen. Bis 2007 waren noch reichsdeutsche Farben im Stadtwappen. Die wurden behutsam durch die Namibia-Flagge ersetzt. Zugleich wich der Dreidorn - zur Apartheidszeit Symbol für die bis 1990 einzig offiziellen Sprachen Englisch, Afrikaans und Deutsch - einer Welwitschia. Das passt endlich zum modernen, gewandelten Gesicht dieser Stadt. 

Angelina Jolie brachte hier ihr Kind zur Welt - und wohnt gleich nebenan 

In Swakopmund, der einzigen Kleinstadt Afrikas mit deutsch-italienischem Eiscafé, hat übrigens Angelina Jolie ein Kind zur Welt gebracht, Brad Pitt und sie besitzen ein Haus im Nachbarort Langstrand. Wenn die Sonne tiefrot im Atlantik versinkt, nimmt man gern noch einen Sundowner, vielleicht in den Dünen oder auf der "Jetty" genannten Landungsbrücke, die die Deutschen einst mit Kruppstahl hier in den Küstensand trieben. Vor wenigen Jahren wurden Stelzen und Aufbau zum ersten Mal saniert. An der Spitze gibt es nun überm wogenden Atlantikwasser mit seiner salzigen Gischt ein Restaurant, in dem sie herrlichen Katfisch servieren und Rindersteak, so perfekt auf den Punkt gebraten, dass man sich fragt, wie das in einer Küstenstadt überhaupt möglich ist. 


Stichwort "Katfisch". Jüngst frohlockte Namibias "Allgemeine Zeitung", dass der Swakopmunder Stadtrat sich entschlossen hat, in einem der neuen Wohngebiete im Norden mit der "Katfisch Street" doch noch mal einen deutschen Straßennamen neu zu vergeben. Das politische Klima ist hier im Küstenort ohnehin entspannter, gemeinschaftlicher als in der Hauptstadt Windhoek. Doch das nur am Rande. Vielleicht trifft sich, während die orange-rote Sonne rasch tiefer zieht, ja im Brauhaus gerade der "Swakopmunder Männergesangverein". Dann gibt es am Rande der Wüste althergebrachtes Liedgut aus Übersee und afrikanische Gesänge. In Swakopmund, das ist einfach so, passt das irgendwie ganz gut zusammen. 

>> Ein 360-Grad-Panorama auf der "Jetty" - Zwischen Swakopmund und Atlantik 

#360panorama #jetty in #swakopmund #namibia http://t.co/3tYeLc06W0

— Sebastian Geisler (@sgeisler_) 5. Juli 2014
Und zum Abschluss noch ein Rundflug per Drohnenkamera über Swakopmund. Sensationelle Aufnahmen von Nutzer bmextremeable. Swakopmund so nah als wär' man da: 
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Warum die neuen Straßennamen in Windhoek eine Frechheit sind

1/7/2014

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Lieber ein völlig unbekannter nigerianischer "General Murtala Muhammed" auf dem Schild als ein namibischer Omurambaweg, gleich zwei Mal die "Agostinho Neto Street", riesenlange "Hamutenya Wanahepo Ndadi" und "Simoen Kambo Shixungileni"-Straßen, Angolas Präsidenten statt Windhoeker Bürgermeister oder einer "Bahnhofstraße" im Zentrum - warum die überraschend präsentierten neuen Straßennamen von Namibias Hauptstadt Windhoek einfach nur eine Frechheit sind. Und das, obwohl es vor ein paar Jahren noch vernünftig, versöhnlich und vor allem rational zuging. 


Zunächst: Mich ärgert es immer, wenn unter weißen Namibiern jede Umbenennung als Beweis für den Untergang des Abendlandes, ja den Verfall des ganzen Landes herhalten soll. Wer sich gegen jegliche Änderung im öffentlichen Bild sperrt, der möchte die wohlhabenden Viertel von Namibias Städten mit ihren oft deutschen Straßennamen offenbar als eine Art europäische Außenposten erhalten, die heute die schwarze Bevölkerungsmehrheit zwar uneingeschränkt betreten (so liberal ist man ja dann wohl doch), aber tunlichst nicht verändern darf. Da wird gegen die Umbenennung der Uhlandstraße (heute Dr. Kenneth David Kaunda St) sofort hart prozessiert. Als wäre "Uhland" irgendwie namibisch. Und als verhieße es politische Stabilität, die Straßenkarte von Windhoek auf dem Stand von 1990 einzufrieren, dem Jahr, als Namibia endlich unabhängig und demokratisch wurde. 

Straßen umzubenennen ist Symbolpolitik, keine Frage.  Es geht um Symbole, die das Gesicht der jungen Nation Namibia prägen, es überhaupt erst gestalten. Selbstverständlich ist es richtig, dass die "Kaiserstraße" heute Independence Avenue heißt. Oder durch Klein-Windhoek die gebührend lange "Nelson Mandela Avenue" führt. 

Zwei Mal Agostinho Neto für Windhoek 

Was sich der Stadtrat von Windhoek aber jetzt - und wohl nicht durch Zufall im Vorfeld der Wahl dieses Jahr - leistet, ist geradezu eine Frechheit und brüskiert die eigenen Bürger. Offenbar wahllos wurden mehrere, den Charakter der Innenstadt prägende Straßen identifiziert und deren Umbenennung verkündet. Der größte Kracher, den die Stadtverwaltung diese Woche verabschiedet hat - wie immer ohne jegliche öffentliche Debatte und völlig überraschend - ist die Umbenennung der John-Meinert-Straße. Diese soll künftig "António Agostinho Neto St." heißen. Was ist daran so negativ? 

Mehreres. Zugegeben: John Meinert war ein Deutschstämmiger, auch wenn der Name das nicht unbedingt auf den ersten Blick verrät. Doch er war mitnichten kolonialer Scharlatan, sondern Bürgermeister von Windhoek und Unternehmer. Als Rassist, Apartheid-Freund oder dergleichen hat er sich nicht hervorgetan. Zumindest, so weit das überliefert ist. Wenn nun seine Hautfarbe zum Makel erklärt werden soll, widerspricht das der Versöhnungspolitik. 

Doch um die Hautfarbe geht es offenbar gar nicht, zumindest nicht primär. Die Straße wird einfach nur deswegen umbenannt, weil sie: lang ist. Hier kann die Regierungspartei Swapo also besonders gut ihre Hausmacht unter Beweis stellen. Und zwar mit diesem neuen Namen auch besonders eindrucksvoll. Sie hatte nämlich - und das ist die große Frechheit - vor wenigen Jahren bereits die Straße "Ausspannplatz Garten" südlich des Ausspannplatzes nach dem einstigen angolanischen Präsidenten benannt. Künftig soll es den Namen also doppelt geben, in nur ein paar Kilometer Entfernung. Der Stadtrat schafft für seine Bürger also eine vollkommen unnötige und sinnlose Verwirrung und Verwechslungsgefahr. Lebt künftig kürzer, wer in Windhoek eine Ambulanz in die "António Agostinho Neto St" bestellt? 

Je länger der Straßenname, desto jünger die Umbenennung 

Ganz doppelt ist der Name übrigens doch nicht. Am Ausspannplatz heißt die Straße schlicht "Agostinho Neto St". Ein paar Kilometer nördlich muss es mit der "António Agostinho Neto St." schon ein Dreiwort-Straßenname sein. Die Unsitte, Straßen mit riesenlangen Namen zu versehen, ist ein Windhoek bereits vor ein paar Jahren ausgebrochen. Da muss es gleich zehnsilbig "Hamutenya Wanahepo Ndadi St." (wie im Stadtteil Olympia) heißen, der Nachname allein reicht nicht. Der Name ist derart lang, dass er auf einigen Schildern sogar zu "H-Wanahepo Ndadi St." (oder gleich "H-Wanahepo Ndadi") verkürzt werden musste. Warum muss plötzlich jeder Zweit- und Drittname tunlichst mit auf das Schild?


Noch recht neu ist auch die Unsitte, bei neuen Namen gern auch noch ein "Dr." davor zu setzen. Auch der umbenannte "Omurambaweg" in Windhoek-Eros klingt mit seinem neuen Namen "General Murtala Muhammed Avenue" eher nach Bananenrepublik denn nach moderner Hauptstadt. Dieser Eindruck drängt sich einem besonders auf, wenn man weiß, dass es sich bei "Omuramba" um ein ur-namibisches Wort handelt (es ist das Herero-Wort für Rivier, also einen namibischen Trockenfluss), während General Murtala Muhammed irgendein General aus Nigeria ist. Von einer "Namibisierung" oder Dekolonialisierung kann hier also keine Rede sein - ganz im Gegenteil. 

Der Stadtrat weiß es besser - eigentlich 

In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit hat die Stadtverwaltung gezeigt, dass es anders geht: Sinnvoll benannte man nach dem Gründungspräsidenten eine Sam Nujoma Avenue (heute wäre es wohl eine "Dr. Samuel Daniel Shafiishuna Nujoma Avenue" - so heißt der Mann mit vollem Namen, und einen Doktortitel ehrenhalber hat er auch). Sinnvoll passte man den Komponist der namibischen Nationalhymne, Axali Doeseb, ins Ensemble der Musikernamen in Windhoek-West ein - und tilgte dafür Burengeneral Louis Botha aus der Apartheid-Ära, der zu den Künstlernamen ohnehin nicht passte). 
Hier nimmt die Stadtverwaltung übrigens - als rühmliche Ausnahme dieser Umbenennungsrunde - ebenfalls eine durchdachte Umbenennung vor. Die "Storchstraße" (und ein Vogel passt ebenfalls nicht ins Musikerviertel) soll künftig 
"Jackson Kaujeua St." heißen - nach einem namibischen Komponisten, ganz ohne XXL-Namen. 

Wandel muss schon sein 


Es dürfte klar sein, dass der Anteil "deutscher" und "weißer" Straßennamen zurückgefahren werden muss, wenn die Straßenkarte der Hauptstadt repräsentativer für die namibische Nation sein soll. Ganz tilgen muss man diese Namen deshalb noch lange nicht. Das ist allerdings auch gar nicht das erklärte Ziel der Verantwortlichen. So wäre gerade die Bahnhofstraße als politisch völlig neutraler Name im Vielvölkerstaat Namibia erhaltenswert gewesen - ja geradezu auch ein Stück historisches Namibia. Die Kreuzung Bahnhofstraße und Independence Avenue machte den friedlichen und von allen Bevölkerungsgruppen gewollten Wandel auch auf dem Straßenschild geradezu sinnfällig. 

Weg damit! Denn künftig soll die Bahnhofstraße - sie ist ja zentral, lang und bedeutend - "José Eduardo Dos Santos St." heißen. Ebenfalls nach einem einstigen angolanischen Präsidenten. Wer Swapo-Freund ist, bekommt auch eine Straße, so einfach ist das inzwischen offenbar. Da muss man - anders als noch in Swakopmund - nicht mal Namibier sein, geschweige denn (General Murtala?) auch nur entfernt irgendwas mit dem Land zu tun haben. 

Peter Müller muss weichen - und taucht dann wieder auf 

Ein Kuriosum ist die Tatsache, dass unterhalb der Christuskirche die Peter-Müller-Straße (deutschstämmiger einstiger Windhoeker Bürgermeister) zugunsten einer "Fidel Castro Street" weichen musste, und der Stadtrat dann aber im vergangenen Jahr eine kurze Straße an der Maerua Mall "Peter Müller St" nach ebendiesem Mann tauft. Das schafft ebenfalls Verwirrung, zumal auf vielen Karten und auch bei Google Maps die jetzige Castro Street noch immer als Peter Müller Street angezeigt wird. Immerhin: Man kann das als Zeichen der Versöhnung gegenüber den Deutschstämmigen lesen. 

Strittig wäre die Bismarckstraße. Als deutscher Reichskanzler einst Kolonialskeptiker, hat er sich unter Kaiser Wilhelm dann doch daran gemacht, Deutschland zu Kolonien zu verhelfen. Muss man ihn deshalb in Namibia tilgen? Nein - fand zumindest der Swapo-geführte Windhoeker Stadtrat ganze 25 Jahre lang. Nun soll auch er - kurz vor der Wahl - gehen. Und zwar für folgenden Namen: "Simoen Kambo Shixungileni St." Oder auch doch nicht? Der Antrag auf die Umbenennung wurde in diesem Fall vorerst vertagt. Vielleicht möchte noch jemand ein "Dr." davorschreiben. 


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Windhoek und Swakopmund profitieren von Namibias Bauboom

27/2/2014

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Noch ist es eine Simulation: Im Norden Windhoeks entsteht mit "Elisenheim" ein neuer Stadtteil. Foto: PR/Elisenheim.com
Kommt hier noch mal was zum Reiterdenkmal? Vielleicht. Das abgerissene Kolonialdenkmal - durchaus auch ein Wahrzeichen von Windhoek - sorgt schließlich für reichlich Diskussionen in Namibia. Doch im Land wird eher aufgebaut als abgerissen, das kommt zur Zeit etwas kurz. 

Namibia erlebt einen regelrechten Bauboom. Und das ist in Afrika, wo wir oft Niedergang konstatieren, alles andere als selbstverständlich. In Windhoek und der Küstenstadt Swakopmund wird so viel gebaut wie wohl noch nie nach der Unabhängigkeit 1990. Das große Hilton Hotel im Zentrum der Hauptstadt ist ein besonders prominentes Beispiel, die Erweiterungen und Upgrades diverser Einkaufszentrum zeugen ebenfalls von wirtschaftlicher Dynamik. 

Tatsächlich kann ein Investment in Namibia gerade jetzt lohnen. Die Preise für Immobilien und Grundstücke steigen seit Jahren deutlich. Das mag auch damit zu tun haben, dass ausländisches Geld nach Namibia fließt, nicht nur aus Südafrika. Ein Entwicklungsland wie Namibia bietet noch Potential für hohe Renditen, auch und gerade mit Immobilien. 

"The Grove" wird Afrikas größtes Einkaufszentrum außerhalb von Südafrika

Der großen Projekte sind viele, zu den prominentesten zählen der "Bahnhof Square" in Swakopmund (eine Art großes und zentrales Einkaufszentrum samt Gleisanschluss) und der "Hilltop Estate" in Windhoek-Kleine Kuppe. Dort entsteht mit dem "The Grove"-Einkaufszentrum die größte Shopping Mall Afrikas außerhalb von Südafrika. Teil der Bebauung wird auch das neue "Lady Pohamba"-Krankenhaus. Nördlich von Windhoek haben die Arbeiten für einen gänzlich neuen Stadtteil begonnen. Er trägt den deutschen Namen "Elisenheim" (nach einer Farm) - bis zu 6000 Familien sollen künftig  dort wohnen. Die Entwickler haben das Gelände bereits erschlossen, Straßen wurden planiert und asphaltiert, Stromanschlüsse und Laternen aufgestellt. 

Die Stadt Windhoek hat die kommunale Verantwortung für das einstige Privatgelände bereits übernommen, "Elisenheim Estate" ist jetzt öffentlicher Raum und wird angeschlossen an die Versorgung mit städtischen Dienstleistungen. Auch zwei Schulen, eine Kirche und Einkaufsmöglichkeiten sollen entstehen. Das Gelände wird bewacht, es dürfte auch eine Begrenzungsmauer geben, die Grundstücke und Häuser selbst sollen ohne hohe Mauern und Gitter auskommen. Damit wäre Elisenheim eine Mischung aus öffentlichem Stadtteil und einer "gated community", bei der ein privater Betreiber Einlasskontrollen vornimmt. Für die Sicherheit sollen durchaus auch private Kräfte garantieren, die in den Straßen patroullieren. 

Elisenheim ist das vielleicht spannendste Bauprojekt in Windhoek, zumal nicht nur Luxushäuser entstehen sollen, sondern auch Einsteigermodelle, die für Mitglieder der wachsenden schwarzen Mittelschicht erschwinglich sein könnten. 


Plötzlich boomen Apartment-Bauten 

Am Hosea Kutako Drive baut unterdessen das Unternehmen Faanbergh Winckler die "Riverport Apartments". Moderne Stadtwohnungen gibt es noch wenig in Windhoek. Die wohlhabenden Namibier bevorzugten meist ein eigenes Haus, Apartments wurden kaum nachgefragt. Das ändert sich gerade. Darauf setzen auch Apartment-Projekte in der Lazarettstraße und Independence Avenue ("77 on Independence"), wo ebenfalls moderne Stadtwohnungen gebaut werden sollen. Als dreistöckiger Apartmentbau wächst bald der "Mandume Park" an der Mandume Ndemofayo Avenue im Zentrum Windhoeks. 

Wohnen am Flughafen


Direkt neben dem außerhalb gelegenen Hosea Kutako Flughafen entsteht die Wohnanlage "Sungate" auf 220 Hektar Land. Dort sollen auch Industrie und Gewerbe angesiedelt werden. Sungate wirbt damit, ein "Tor" nach Namibia zu sein, verkehrsgünstig angeschlossen an den Internationalen Flughafen und interessant für Dienstleister, die dort tätig sind. 


Wohnkoloss und Tankstelle für Langstrand

Südlich von Windhoek wird das Resort "Omeya" gebaut, mit Golfplatz und Luxuswohnanlagen. Die Computersimulationen der Bauten lassen - mit schweren BMWs und Bootsanhänger vor der Doppelgarage - keinen Zweifel daran, dass es sich dabei um einen Zufluchtsort für Reiche handeln wird, Rund-um-die-Uhr-Bewachung und Abschottung inklusive. "Escape to Omito" wirbt der Entwickler treffend für das Wohnprojekt. 

Es ist bemerkenswert, wie viel Geld zur Zeit an der Küste Namibias verbaut wird. In Swakopmund entstehen diverse hochpreisige Wohnprojekte, im Nachbarort Langstrand - in dem übrigens Brad Pitt und Angelina Jolie ein Haus besitzen - unter anderem ein zwölfstöckiger Apartment-Wohnturm mit Blick auf den Atlantik. Endlich soll in dem Ferienort, der außerhalb der Feriensaison keinen sehr belebten Eindruck macht, auch eine Tankstelle entstehen. 

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Namibias Lüderitz bleibt Lüderitz. Hier sprechen die "Buchter" selbst - und wir fliegen im HD-Video über die Stadt, die nicht umbenannt wurde

14/9/2013

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Erst vor wenigen Monaten wurde der Hollywood-Schriftzug "LÜDERITZ" über der Bucht installiert
Bild "100% Buchter" auch auf dem Cappy
Lüderitz bleibt Lüderitz. Die Hafenstadt am Atlantik wurde nicht umbenannt. Betroffen von der Umbenennung ist erst mal nur der Wahlkreis, das hat sich mittlerweile herausgestellt. Das Thema wird Namibia wohl noch eine Weile beschäftigen, schließlich will Präsident Hifikepunye Pohamba die Umbenennung offenbar weiterhin forcieren. 


Aber darum soll es hier nicht gehen. Denn "the Lüderitz name change saga" hat auch ihr Gutes: Zum einen hat die abgelegene Kleinstadt, von der ihre Einwohner selber sagen, sie liege am Ende der Welt, weltweit so viel Aufmerksamkeit bekommen wie seit Jahren nicht. Und die "Buchter" haben eindrucksvoll gezeigt, dass es in Namibia durchaus eine Zivilgesellschaft gibt, die viel politischer und wacher ist, als das gemeinhin angenommen wird. 

Bild Logo der Zeitung "The Buchter News" aus Lüderitz

Die Hautfarbe spielt keine Rolle in Lüderitz 


Dass man in Lüderitz zunächst "Buchter" ist und die Hautfarbe bei diesem Selbstverständnis keine Rolle spielt, ist ein gewaltiges Verdienst der Menschen in Lüderitz. Sie begreifen sich nicht zuerst als Schwarze, Weiße, Ovambo, Damara, Deutsche. Ausgerechnet dieses kleine, abgeschiedene Nest scheint auf dem Weg des "nation building" weiter zu sein als viele andere Gegenden im Land. Namibias Leitidee "unity in diversity" wird in Lüderitz tatsächlich gelebt. 

Das weckt das Interesse vieler Menschen an dieser afrikanischen Kleinstadt mit dem deutschen Namen. Davon könnte jetzt der Tourismus profitieren, auf den die Stadt so dringend angewiesen ist. 



Mit der Drohnen-Kamera in HD über die Stadt fliegen 

Zeit also, sich noch einmal genauer in Lüderitz umzusehen. Kürzlich habe ich eindrucksvolle Aufnahmen entdeckt, die Lüderitz in allerbester HD-Qualität zeigen, und das aus der Luft. Aufgenommen mit einer fliegenden Drohnen-Kamera. Wie an einem Kran fährt die Kamera an der Felsenkirche aufwärts. So hat man die Lüderitzbucht noch nicht gesehen.

Die Aufnahmen stammen von Youtube-Nutzer  bxtremeable. Auf nach Lüderitz! So nah, als wäre man da: 

Lüderitz von oben - in HD
Auch Namibias einziger privater Fernsehsender, One Africa TV, berichtet über den Protest der Lüderitzbuchter gegen eine Umbenennung. In dem TV-Beitrag ist zu sehen, wie Menschen durch die Straßen der Stadt ziehen mit Transparenten wie "Proud to be a Buchter" und "We stay Lüderitzbucht". 

Hier der Beitrag: 

Die "Buchter" erklären ihre Identität 

Und noch ein sehenswerter Beitrag. Was ist ein "Buchter"? Kann man Buchter werden? Weltreisende aus den Niederlanden stellten einem schwarzen Buchter diese Frage. Der erklärt erst mal: "Buchter sein hat nichts zu tun mit Hautfarbe. Buchter sein hat zu tun mit der Art, wie wir reden, wie wir gehen." Er werde so etwas oft gefragt. Warum die Buchter-Identität so stark ist? "Wir leben am Ende der Welt. Man kann nur nach Lüderitz kommen, aus Lüderitz kommt man nicht hinaus." Die Stadt liegt einfach zu weit ab vom Schuss. Wer Buchter "werden" wolle, müsse sich in deren Gemeinschaft engagieren, lange genug dort leben. So lange, bis er selber so weit sei, andere als Buchter zu erkennen. 

Auch ein deutschstämmiger Buchter kommt zu Wort. Er sagt: "Ich bin kein Deutscher, ich bin ein Namibier, der Deutsch spricht." Bei der Fußball-WM unterstütze er erst mal die afrikanischen Mannschaften. Und dann später erst Deutschland - "weil die ja immer ins Finale kommen." Ein interessantes Dokument und eine authentische Erklärung von den Buchtern selber, was ihre Identität ausmacht - die man ruhig bedenken sollte, wenn man vorschnell urteilt, ein Städtename aus der deutschen Sprache habe doch in Afrika im Jahr 2013 sowieso nichts zu suchen. 

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Warum vieles Deutsche in Namibia in Wahrheit namibisch ist 

19/8/2013

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Alles andere als deutsch: Außer dem Namen aus der deutschen Sprache wirkt der "Ochsenwagen Take-Away" recht afrikanisch Foto: Sebastian Geisler
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In Namibia gibt es also Unfrieden wegen der Umbenennung von Lüderitz. Die "Buchter" wollen Buchter bleiben, zumindest die Mehrheit, wie es sich darstellt. Gerade das bringt ein Phänomen zum Vorschein, das in Namibia ansonsten überall angestrebt, aber leider kaum erreicht worden ist: eine gemeinsame Identität. Das ist im Sinne des "Nation Building", das Namibia betreiben will, um die zahlreichen ethnischen Gruppen Namibias zu einer Nation zusammenzuführen. 

Wenn es einen Ort gebe, wo das gelungen ist, kommentiert der renommierte "Namibian" in seinem Editorial sehr klug, dann sei das in Lüderitz. Wo man sich eben zunächst als "Buchter" versteht und dann erst als Ovambo, Nama, Deutscher, Damara, Herero, Weißer, Schwarzer. Ausgerechnet das wird nun - ob mit Absicht oder leichtfertig - angetastet. In der Facebook-Gruppe "Luderitz not Naminus" kann man die Diskussion aufgebrachter Buchter mitverfolgen. 

Manche urteilen vorschnell - und ziehen die falschen Schlüsse 

Noch ein zweites witziges Phänomen ist zu beobachten, und zwar in Deutschland: Viele deutsche Kommentatoren unter den Artikeln über die Lüderitz-Umbenennung haben sofort die Einschätzung zur Hand, dass diese Maßnahme ja dringend überfällig sei, "Gott sei Dank" weicht der deutsche Name. Das ist insofern erstaunlich, als sie damit genau die Haltung offenbaren, die sie "deutschtümelnden" Ewiggestrigen (deren Kommentare man dort vereinzelt auch lesen kann) vorhalten: sie als Deutsche wissen, was für eine afrikanische Küstenstadt am Atlantik richtig ist - per Ferndiagnose aus dem 10.000 Kilometer entfernten Deutschland. Das hat eine gewisse Ironie, zugleich ist es verständlich, wenn man Namibia nicht kennt. 

Denn der Annahme, alles Deutsche in Namibia sei ein Zeichen von Unterdrückung und Kolonialherrentum, liegt ein Irrtum zugrunde: Was heute in Namibia noch irgendwie deutsch aussieht oder klingt, hat mit Deutschland und den Deutschen nämlich wenig zu tun. Das, was in Namibia heute vermeintlich deutsch ist, ist in Wahrheit längst namibisch. Dazu gehören auch die deutsche Sprache als Minderheitenphänomen und diejenigen, die sie sprechen, ob schwarz oder weiß. Viele Schwarze tragen auch deutsche Namen - und wenn man sie darauf anspricht, verstehen sie kaum, was daran besonders oder bemerkenswert sein soll. Dazu muss man sagen: Es sind oft Namen wie Wilhelm oder Anton, ich lernte auch mal einen Engelhardt kennen. Mit dem heutigen Deutschland hat das nichts mehr zu tun. Nur so ist es zu erklären, warum etwa ein Bauprojekt wie der geplante "Neckartal"-Damm im Süden Namibias überhaupt diesen Namen erhält.

Zugleich ist es wichtig, bisher unterrepräsentierte indigene Kultur sichtbar zu machen, zum Beispiel bei Straßennamen. Das heißt aber nicht, dass deutsche Einflüsse im modernen Namibia - etwa in der Essenskultur - zum Auslaufmodell erklärt werden müssten. (Das kann sich übrigens auch bei umbenannten Straßen zeigen, etwa im Falle der neuen "Reinhold Shilongo Street" in Tsumeb oder bei der umbenannten Windhoeker "Lutherstraße". Diese heißt nun nach einem deutschstämmigen namibischen Geschäftsmann, den die Stadtverwaltung ehren wollte: "Harold Pupkewitz St".

Neue Bauten imitieren alte Architektur 

 In Swakopmund zum Beispiel ist einst deutsche Architektur in namibische übergegangen: Neubauten im Stadtzentrum nehmen reichlich Anleihen an Gebäuden aus der Gründerzeit der Stadt -  teils baulich verordnet vom von der Regierungspartei Swapo dominierten Stadtrat. Dass in vielen Schulen des Landes oder im Goethe-Zentrum auch Deutsch erlernt werden kann, hat ebenfalls mehr mit Namibia als mit dem heutigen Deutschland zu tun. Auch das öffentlich-rechtliche "Deutsche Hörfunkprogramm der nbc" (Namibian Broadcasting Corporation) versteht sich ausdrücklich als namibischer Sender in deutscher Sprache - nicht als deutsches Radio in Namibia. Es wird ja auch vom namibischen Staat unterhalten - wie die anderen Programme der nbc. 

So könnte also ein schwarzer "Buchter", der bei diesem Namen an seine Gemeinschaft und sein afrikanisches Zuhause denkt, empört reagieren, wenn ein Deutscher aus Europa ihm erklärt, dieser Name sei ein Zeichen der Unterdrückung und gehöre dringend entfernt. Wer das also bei einem Besuch in Namibia vorhat, sollte sich bewusst machen: obwohl er vielerorts deutsche Begriffe und Einflüsse sehen wird, ist er es doch, der dort der Ausländer ist - und besser erst einmal beobachtet und die Menschen unterschiedlichster Ethnien kennenlernt, ehe er zu vorschnellen Schlüssen kommt. 

Aber im Grunde zeigt sich das bei einem Besuch in Namibia schnell: Man ist in Afrika, darüber kann auch ein Name wie der "Ochsenwagen Take-Away" für eine Art Raststätte neben der Nord-Süd-Verkehrsader B1 nicht hinwegtäuschen. Er ist allenfalls kurios. 

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Namibias Hafenstadt Lüderitz wird umbenannt

9/8/2013

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Namibias Küstenstadt Lüderitz wird umbenannt
Küstenstadt in Namibia mit deutschen Wurzeln: Lüderitz wird umbenannt - in "Naminüs". Foto: Sebastian Geisler
Von Sebastian Geisler 

Paukenschlag in Namibia: Die Küstenstadt Lüderitz verliert ihren deutschen Namen, auch der Caprivi-Zipfel wird umbenannt. Das hat Präsident Hifikepunye Pohamba am 8. August völlig überraschend bekannt gegeben. Die Änderungen sollen bereits am heutigen 9. August im Amtsblatt veröffentlicht werden und somit sofort in Kraft treten. Für Namibia ist das eine radikale Kehrtwende in der Politik zur Benennung geografischer Ortsnamen. Bisher galt als ausgemacht, dass die bestehenden Städtenamen - egal welchen Ursprungs - als gesamtnamibisches Erbe Bestand haben. Das schloss ausdrücklich auch Ortsnamen aus dem Deutschen mit ein. Nun die Abkehr von dieser Politik. Quasi im Alleingang - begleitet einzig von der namibischen Grenzziehungskommission - hat Präsident Pohamba die Umbenennungen verfügt. 

Das kommt vor allem deswegen so überraschend, weil es im Vorfeld keinerlei politische oder zivilgesellschaftliche Debatte - oder überhaupt Forderungen - nach Umbenennungen gegeben hatte. Pohamba sieht darin einen Schritt, koloniales Erbe abzulegen. Das mag aus europäischer Sicht zunächst einleuchtend klingen. Umso erstaunlicher aber ist, dass es in den betroffenen Orten unter der weit mehrheitlich schwarzen Bevölkerung eine in ersten Reaktionen offenbar mehrheitlich ablehnende Haltung gegen diese Umbenennungen gibt. 


Der Name erinnert an die Stadt - nicht an den Kolonialherren


Zwar heißt Lüderitz nach dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz, der mit dem Erwerb von Land in der späteren Lüderitzbucht an der Westküste Namibias den Grundstein für die deutsche Inbesitznahme Südwestafrikas legt, aber in Namibia störte sich daran bisher kaum jemand. Der Name wird längst einzig mit der Stadt assoziiert, der koloniale Ursprung scheint dabei kaum noch eine Rolle zu spielen. Die Menschen in Lüderitz nennen sich in sämtlichen Sprachen "Buchter", nach der Lüderitzbucht. Dieses Selbstverständnis wird nun von Namibias Regierung angegriffen. Das verursacht Ablehnung und emotionale Reaktionen - obwohl es in Lüderitz selbst nur noch eine Handvoll deutschsprachiger Familien gibt. 


Spannung zwischen Regierung und Zivilgesellschaft 

Es handelt sich also nicht um eine Auseinandersetzung entlang ethnischer Gruppen, sondern um eine Spannung zwischen Regierung und Zivilgesellschaft insgesamt, die nun zutage tritt. Lüderitz soll ab sofort den Namen 
 "!Namiǂnûs"  (auch "Naminüs") tragen. Angeblich handelt es sich dabei um den "ursprünglichen" Namen des Ortes, was mehr als zweifelhaft erscheint. Vor der Gründung des Ortes Lüderitz ist keine Besiedelung der unwirtlichen Gegend an Namibias Südwestküste bekannt (während es im Falle anderer namibischer Ortsnamen durchaus auch indigene Namen gibt). 

Problematisch scheint die Umbenennung von Lüderitz auch, weil der Ort vor allem mit seinem historischen Erbe Touristen anzieht. Der Ort, der auf dem Landweg nur mühsam zu erreichen ist, stellte mit seiner kolonialen Architektur, deutschen Straßennamen und dem deutschen Namen eine Kuriosität zwischen Wüste und rauem Atlantik dar. Aus diesem Grund hatte die Stadtverwaltung die deutschen Straßennamen (wie Bahnhofstraße oder Bismarckstraße) bewusst beibehalten - anders als viele andere Städte Namibias, in denen vor allem größere Hauptstraßen längst nach namibischen Politikern heißen. 


"Caprivi" muss gehen

Auch die Caprivi-Region erhält einen neuen Namen. "Caprivi" klingt zwar eher nach einer exotischen Frucht als nach einem deutschen Reichskanzler (Leo von Caprivi), aber der Name missfiel Pohamba ob dieses Ursprungs. Die Region soll ab sofort Zambesi oder Sambesi heißen. 

Das könnte wiederum einen ethnischen Konflikt befördern. Allerdings keinen zwischen Schwarzen und Weißen, denn Weiße gibt es kaum im Caprivi-Zipfel. Vielmehr war der Name "Caprivi" identitätsstiftend für die abgelegene Region im äußersten Nordosten Namibias. Die diversen ethnischen Gruppen, die in der Region leben, verstehen sich trotz ihrer unterschiedlichen Identitäten als "Caprivier". 

Seit der Unabhängigkeit Namibias strebt eine Untergrundorganisation von Separatisten danach, die Region von Namibia abzuspalten. Auch eine von der namibischen Regierung verfolgte Partei strebt nach der Abspaltung. Die Partei "Caprivi Freedom" wollte einen eigenständigen Staat errichten in den Grenzen des Gebietes, das unter Reichskanzler Leo von Caprivi im Zuge eines Tauschs gegen die Inseln Sansibar und Helgoland von der einstigen Kolonialmacht Großbritannien dem damaligen Deutsch-Südwest übergeben worden war. 2002 erklärte die Volksgruppe der Itengese einseitig die Unabhängigeit von Namibia. Ihr neuer Staat "Free State of Caprivi" (Freistaat Caprivi), der den Namen eines einstigen deutschen Reichskanzlers tragen sollte, wurde international nicht anerkannt. 

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RTL-"Wild Girls auf High Heels" bringen in Folge Eins Namibias Himba zum Staunen 

12/7/2013

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"Wild Girls in High Heels": RTL zeigt Namibia als Einöde ohne Zivilisation. Hätte es bloß keine Kandidatinnen für die Show hergebracht.
Die "Wildgirls" in ihren High Heels sind nun also gelandet. Im letzten Blogbeitrag ging es noch darum, wie lange diese Menschen es wohl in Namibia aushalten. Nach der ersten Folge weiß man: Eher wäre die Frage, wie lange Namibia es mit diesen Leuten aushält. Der Namibische Tourismusrat verspricht sich von der RTL-Show einen Werbeeffekt für das südwestafrikanische Land. Tatsächlich hat der Sender die Weite, Leere und unberührte Natur des Landes durchaus gut ins Bild gesetzt. Nur die seltsamen Gestalten aus Deutschland stören die friedlich-träge afrikanische Szenerie. Wo genau in Namibia überhaupt gefilmt wird, darüber bleibt der Zuschauer im Unklaren. "Mit dem Flugzeug geht es von Frankfurt in die namibische Landeshauptstadt Windhoek." Schon sieht man eine Cessna irgendwo auf einer rötlich-sandigen Piste im afrikanischen Busch aufsetzen. Die liegt zwar gut und gerne mehrere Hundert Kilometer entfernt von der Landeshauptstadt, aber dass man mit einer Cessna keinen zehnstündigen Interkontinentalflug absolvieren kann, wird dem Zuschauer durchaus aufgefallen sein. 

Jegliche Zivilisation im Land wird aus der ersten Folge konsequent herausgehalten - und dringt einzig in die Sendung hinein, als eine Teilnehmerin "von der Polizei", wie es heißt, aus dem Camp geholt wird. Aufgrund von Problemen mit der Einreisegenehmigung. Die anderen Damen - namibischen Freunden muss man versichern: Nein, in Deutschland kennt die ebenfalls niemand - beziehen unterdessen in den Rundhütten aus Lehm der Himba ihr Quartier. Das Naturvolk nimmt die Sache locker: Sie nehmen den seltsamen Besuch interessiert in ihre Mitte. Ja, das muss man den deutschen Zuschauern sagen: Anders als Lippen und Brüste der Kandidatinnen ist das Himba-Dorf in Namibia tatsächlich echt. Die Menschen leben nach traditionellen Gebräuchen, die sie seit Jahrhunderten - wenn nicht länger - unverändert pflegen. Sie wohnen in Rundhütten aus Lehm mit Bastdächern, sie reiben ihre Körper mit einer rötlichen Paste aus Erde ein, die Frauen vermengen ihre Haare damit zu Trotteln. Dazu tragen sie traditionelle Bastkleidung. Der Himba-Stammesführer verfügt über mehrere Frauen, die für ihn arbeiten. Schon die Kinder sorgen sich um das gehaltene Vieh. Kühe und Ziegen gehören quasi mit zur Dorfgemeinschaft. Es gibt wenige Menschen auf Erden die so eine Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlen wie die Himba. Das ist soweit alles echt. 

Dann fallen also die deutschen Ladys auf High Heels in das Dorf ein - und die Himba haben für sie herzliche Gastfreundschaft und Schmunzeln übrig. Vor allem Travestiekünstler "Conchita Wurst" bringt sie zum Lachen. 

Auch in Namibia wird die Sendung interessiert verfolgt. Viele der gut 20.000 Deutschstämmigen im Land verfügen über deutsches Fernsehen, dessen Satellitenempfang sie sich jeden Monat einiges kosten lassen. Dass es in Namibia überhaupt Fernseher gibt, ja sogar Straßen, Schulen, Internet, Städte, Wohngebiete auf europäischem Standard, davon wird der RTL-Zuschauer wohl eher nichts zu sehen bekommen. Das wäre in etwa so, als setzte man Japaner irgendwo im unberührten "deutschen Wald" oder in einem historischen norddeutschen Wikinger-Freilichtmuseum aus, damit sie dort den urgermanischen Alltag kennenlernen können. 

Das ist auch okay, denn es geht hier nicht darum, das Portrait eines Landes zu schaffen, sondern es geht um Unterhaltung. Namibia bleibt bei den "Wildgirls" also ein Land der Wilden in der friedlichen Einöde. Wobei die Himba - die schon mal vor den Augen der Z-Promis eine Ziege schlachten - witzigerweise weit mehr Identifikationspotential bieten als die aufgespritzten Trash-Teilnehmerinnen. Weil auch ihnen permanent die Frage förmlich vom Gesicht abzulesen ist: Was sind das bloß für Leute? 




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Namibia zum Abgewöhnen - Warum uns das RTL-Wüstencamp mit den "Wild Girls" in High Heels viel Spaß machen wird

29/5/2013

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Ein Straßenschild in Namibia, irgendwo im Nichts. Einer der seltenen Hinweise auf Zivilisation und menschliches Leben in der Einöde
Namibia kann man auch hassen. Es wird in diesem Blog deutlich: Ich bin großer Freund des Landes und genieße jeden Aufenthalt sehr. Sonnenschein, atemberaubende Natur, großartige Menschen, tolles Essen, hervorragendes Bier. Oder doch nicht? Namibia liebt man oder man hasst es, heißt es oft. Und genau das dürfte der Gag sein, mit dem der Sender RTL jetzt eine Art Sommerausgabe seines "Dschungelcamps" spannend machen will: "Wild Girls - Auf High Heels durch Afrika" heißt die Sendung, bei der C-Promis, wie der Sender mitteilte, harte Prüfungen bestehen und "Hunderte Kilometer zurücklegen werden". In der Wüste. Das verheißt großen Trash. Und wohl ganz gute Unterhaltung. Denn für die Kandidatinnen dürfte Namibia wohl eher heißen: staubtrockene Einöde, brüllende Affenhitze, Dürsten nach Trinkwasser und Essen von Mopane-Würmern und sonstigem Getier, das Europäer sich nicht einmal ansehen möchten - geschweige denn es in den Mund nehmen und runterschlucken. 

Namibia lässt sich nur bedingt kalkulieren - das gilt auch für RTL

Freilich schafft das Umfeld einer TV-Aufzeichnung sofort mildere Umstände für solche Erlebnisse, aber Namibia lässt sich nur bedingt domestizieren - und so erlebten die Teilnehmerinnen bereits zu Drehbeginn harte Prüfungen, noch eher der RTL-Dreh überhaupt angefangen hatte. Und da sprechen wir noch nicht mal von Hitze und Einöde. Vielmehr handelt es sich um Phänomene, die Namibia-Fans, die dem Land länger verbunden sind, kennen: Wüstencamp-Teilnehmerin Ingrid Pavic (26) wurde offenbar unmittelbar nach der Einreise in Windhoek bestohlen, wie die "Allgemeine Zeitung" aus Namibia berichtet. "Mein Bargeld und meine Sonnenbrille sind geklaut", klagte sie. Und nein, da mussten Einheimische sie enttäuschen, einen Gucci-Laden gebe es in Windhoek und auch sonst in Namibia nicht. (Die Fashion-Oase Kapstadt ist weeeeit, weit weg.)

Eine Nacht im afrikanischen Knast 

Eine weitere Teilnehmerin der Sendung traf es allerdings noch ärger. Staatsbedienstete am Hosea-Kutako-Flughafen in der Hauptstadt Windhoek monierten ihre Einreise-Papiere. Sie musste daher eine Nacht in einem namibischen Gefängnis verbringen. Wie namibische Freunde mir schon mehrfach sagten: Wer einmal einen solchen Knast von innen gesehen hat, tut alles, um da wieder rauszukommen. Die Probleme bei der Einreise nach Namibia sind bekannt: Mürrische Beamte stempeln falsche Daten in den Pass und bei einer Verkehrskontrolle kommen Touristen dann in arge Schwierigkeiten, weil sie sich plötzlich illegal im Land aufhalten. Es empfiehlt sich daher, das Ablaufdatum des eingestempelten Visums sofort zu kontrollieren und nötigenfalls ändern zu lassen. 

Aber dazu hatte die Wüstencamp-Teilnehmerin gar nicht erst die Gelegenheit, schon ihre Papiere erschienen ja kriminell. (Mir ging es einmal ähnlich mit meinem sogenannten "Study Permit", das aus einem handgeschriebenen, per Fax übermittelten Wisch von einem Herrn Andimba bestand, der mir und zahlreichen weiteren Menschen mitteilte, sie dürften einreisen, von dann bis dann. Sämtliche Klarnamen konnte jeder lesen, der dieses Schreiben bekam. Die Bedienstete am Flughafen hatte einen solchen Schmierzettel aber noch nie gesehen und forderte mich auf, mich nach der Einreise umgehend an das Innenministerium Namibias in der Kasinostraße zu wenden, um die Sache zu klären. Ein in Namibia freilich vollkommen aussichtsloses Unterfangen. Aber das hier nur in Klammern.)

Europäer in den Wahnsinn treiben 

Inzwischen dreht das RTL-Team mit den Kandidatinnen -  von denen man immerhin Sarah Knappik aus dem "Dschungelcamp" kennt -  im Norden Namibias. Aufenthalte und Reisen abseits der Hauptstadt eignen sich ja auch besonders gut, unbedarfte Europäer in den Wahnsinn zu treiben. Allein auf dieser Idee hat Tommy Jaud seinen ganzen Roman "Hummeldumm" aufgebaut, in dem ein glückloser Ich-Erzähler mit seiner Freundin in einer Reisegruppe per Bus mit Tourguide stundenlang über Schotter- und Sandstraßen durch Namibias Wüsten gefahren wird und zusehends verzweifelt. Kein Handyempfang, kein Strom mangels Adapter, ewiglange Fahrten durchs unzivilisierte Nichts ohne Toilettenpause, stramme Fußmärsche unter brennender Sonne zu geografischen Sehenswürdigkeiten mit zu wenig Trinkwasser. Willkommen in Namibia. 

Und da setzt die RTL-Show mit ihren Prüfungen erst an. Ich bin gespannt! 







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Heute ist Tag des Deutschen Bieres. Das Reinheitsgebot hat Geburtstag. Windhoek Lager wird danach gebraut - Das Reinheitsgebot-Bier aus Namibia

23/4/2013

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Passend zum "Tag des Deutschen Bieres" ein Besuch in der Namibia-Brauerei, wo eines der besten Biere der Welt gebraut wird: Windhoek Lager, das auch in Deutschland viele Preise abräumt. 


Von Sebastian Geisler


Reinheitsgebot ist das bekannteste deutsche Wort Namibias. Heute hat dieses erste Lebensmittelgesetz der Welt Geburtstag. Ausgerechnet im fernen Afrika wird das besonders zelebriert. In der einstigen Kolonie Deutsch-Südwest brauen sie danach eines der besten Biere der Welt.

Windhoek Lager, benannt nach der Landeshauptstadt. Wobei Braumeister Christian Müller – deutschstämmiger Weißafrikaner – da natürlich sofort einhakt: „Natürlich nach dem Reinheitsgebot!“, sagt er entschieden. Und von „noch“ könne wohl keine Rede sein, deutsches Bier gehöre unverrückbar zur Kultur Namibias, stellt er klar. Sein Stolz kommt nicht von ungefähr: „Windhoek Lager“ gilt als eines der besten Biere überhaupt. Die Bestätigung dafür bekommen die afrikanischen Brauer regelmäßig aus Deutschland - beim Bierwettbewerb der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG). Windhoek Lager hat dort seit 2005 bereits acht Goldmedaillen geholt. Das kann sich sehen lassen. Der gebürtige Namibier Christian Müller arbeitet daran, dass diese Serie weitergeht. Als junger Mann wurde er in Deutschland zum Braumeister ausgebildet, überwachte Brauereien in Asien. Dann ging er zurück in seine Heimat Namibia. „In Deutschland sind die Leute ganz erstaunt, wenn ich auf Deutsch erzähle, dass ich aus Afrika bin und dort deutsches Bier braue“, sagt er.

Auch in Deutschland hat das Bier eine Fangemeinde 


Das ist im südlichen Afrika ein Massenprodukt. In Deutschland ist Windhoek Lager eher den Bierenthusiasten bekannt. Dort bekommt man es nur über Importeure oder in der Feinkostabteilung des Berliner Edelkaufhauses KaDeWe. Neuerdings bietet die Supermarktkette Tesco es in Großbritannien an, der Bau einer Brauerei in England ist geplant. Windhoek Lager hat sich auch in Europa eine Fangemeinde erarbeitet, und das nicht nur, weil das afrikanisch-deutsche Bier ein Kuriosum ist. „Beim Bier entscheidet einzig der Geschmack über den Erfolg“, sagt Müller. Gern gibt der Mittvierziger Einblicke in seine Arbeit, führt Besuchergruppen über das Werksgelände der „Namibian Brewerie“. Die ist großer Arbeitgeber in der Region, ihre Kessel, hoch wie Silos, funkeln auf dem Werksgelände in der heißen afrikanischen Sonne. 

Die Straßen ringsum heißen wie zu Kolonialzeiten noch „Solingenstraße“ und „Holsteinstraße“. Auch sonst kommt hier vieles aus Deutschland: „Den Hopfen importieren wir aus Hallertau in Bayern“, sagt Müller. Der heutigen „Tag des Deutschen Bieres“ ist für ihn ein bisschen wie ein Geburtstag, er zelebriert ihn. Am 23. April 1516 hat Herzog Wilhelm IV. das Reinheitsgebot proklamiert. „Das älteste Lebensmittelgesetz der Welt“, schwärmt Müller. „Jeder Namibier weiß, was das ist.“ Es ist ja auch auf jeder Flasche nachzulesen. 

Hopfen, Hefe, Malz und Wasser 
 

Das Datum ergibt zugleich - nach der namibischen Mobilvorwahl – Müllers Handynummer. Als Bierenthusiast spricht der Mann über Bier wie ein Sommelier über Wein. Dabei geht es hier eben nicht um feine Unterschiede. Es geht, das schärft Müller Besuchern wie Mitarbeitern ein, um präzise Gärung, Filtration, die richtige Temperatur und Mischung. Und ganz wichtig: „Hier kommt tatsächlich nur hinein: Hopfen, Hefe, Malz und Wasser. Der Geschmack und Alkoholgehalt hängt dann nur vom Brauprozess ab.“ Die Afrikaner nehmen das hier sehr genau. Streng werden die Prozesse überwacht, im Kontrollstand sitzen Brauerei-Mitarbeiter an Flachbildschirmen. Aber lieber läuft Müller durch die Hallen, wo in großen Stahltanks und durch wuchtige Rohre das Bier fließt beziehungsweise das, was dazu werden soll. In der Theorie, sagt Müller, ist alles ganz einfach: Eine große Schrotmühle mahlt Malz. Malz ist angekeimte Gerste, die in den Tanks mit Wasser vermengt wird. Das ist das sogenannte Meischen. Damit nichts schiefgeht, steht hier tatsächlich an einem der Tanks in altdeutscher Schrift: „Gott gebe Glück und Segen drein!“ Afrikanischer Aberglaube.

Dann kommt die Hefe hinzu. „Er jetzt ist es Jungbier“, sagt Müller. Malz-Feststoffe werden rausgefiltert, die sogenannte Würze wird gekocht. „Dabei entsteht der typische Brauereigeruch.“ Den roch Müller schon als Schüler, als er in Windhoek immer an der „Alten Brauerei“ in der Tal Street vorbeimusste. „Das roch so gut und das Bier schmeckte. Ich wusste: Ich will Brauer werden.“ Der Beruf ist in Namibia angesehen. Wer bei „Nambrew“ lernt, lernt zugleich auch Deutsch, muss im fernen Ulm seine Meisterprüfung ablegen. 

"Die Seele des Bieres"
 

Und er muss, das wird jedem klar, der mit Braumeistern wie Christian Müller spricht, viel Leidenschaft haben. „Malz“, sagt Müller, „ist die Seele des Bieres, Hopfen ist das Gewürz.“ In mächtigen Sudkesseln kommt die Hefe hinzu. „Hefe ist ein Einzeller, ein Lebewesen“, erklärt er. Hefe frisst den Zucker und scheidet Alkohol aus. Der ist Geschmacksträger.

Windhoek Lager, sagt Müller, wird weniger stark gehopft als das „Urbock“, das sie hier für den milderen namibischen Winter brauen – einen halben Tank voll. „Das wärmt angenehm mit 7 Prozent“, so Müller. Windhoek Lager hingegen ist angepasst an afrikanische Hitze. Der Alkoholgehalt von vier Prozent ist verträglicher bei Sommer-Temperaturen über 40 Grad. Nach acht Stunden Durchlauf hat man Jungbier, eine Woche muss das Ganze gären in den insgesamt 80 Tanks. Temperatur und Druck sorgen für den gewünschten Geschmack. Der wurde in diesem Jahr gleich vier Mal von der DLG ausgezeichnet. Je eine Gold-Medaille gab es aus Deutschland für die Biere Windhoek Lager, Tafel Lager, Windhoek Draught und Windhoek Light. Das ist neuer Rekord für die Brauerei. 

Die Brauerei expandiert international

Brauerei-Geschäftsführer Hendrik van der Westhuizen vermeldet zugleich 13 Prozent höheren Absatz für das abgelaufene Geschäftsjahr – und den Plan, die Braukapazität in Windhoek um zehn Prozent zu erweitern.

Derzeit werden rund 60 Prozent der Produktion nach Südafrika und mehr als 20 weitere Länder weltweit exportiert. Das Unternehmen ist auf internationalem Expansionskurs. 

Müller zapft Flüssigkeit aus einem der zylindrischen Tanks, in denen es regelrecht brodelt. „Drei Schluck am Tag“ trinkt der Braumeister täglich während seines Dienstes. „Zur Qualitätskontrolle.“ Ein solcher Tank fasst 200 000 Liter Bier. „Herrlich, so viel Bier über sich zu haben.“ Die Tanks kommen ebenfalls aus Deutschland. „Das ist für uns Teil der Reinheitsgebot-Kultur.“ Im Wüstenstaat Namibia gilt oft: Was aus Deutschland kommt, ist Qualität. 214 Millionen Liter Bier verlassen pro Jahr die Namibia-Brauerei, teils in Fässern, teils abgefüllt in Flaschen und Dosen. Für den alljährlichen deutsch-namibischen Karneval brauen sie eigens ein Bier, das der Elferrat dann in voller Tracht in der Brauerei verkostet. Und Christian Müller spricht dann im namibischen Radio über seine neueste Kreation.

20 000 Windhoek Lager entstehen pro Stunde 


Klirrend sausen die grünen Flaschen durch die Produktionslinien unter den sich drehenden Abfüller, der aussieht wie ein übergroßer Adventskranz. 20 000 fertige Windhoek Lager entstehen so pro Stunde, vier Schichten von Mitarbeitern wechseln sich ab. Nach Feierabend trifft man sich im „Felsenkeller“ auf dem Brauereigelände. Dort gibt es dann gratis frisch gezapftes Feierabend-Bier. „Prost“, ruft Müller vergnügt und stößt mit zwei schwarzen Angestellten an. Dieses Wort kennen sie hier in Namibia, bei allem Erst des Brauens nach dem Reinheitsgebot, selbstverständlich auch.



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EES und Wilfried Hähner - Zwei Namibier leben ihren Traum

28/3/2013

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Ehe es weitergeht mit der Rundreise, sei hier aus aktuellem Anlass hingewiesen auf ein ganz besonderes Video von Kwaito-Musiker EES, bürgerlich Eric Sell. Der Mittzwanziger ist ein wahres Energiebündel. Jüngst war er wieder zu Gast bei Hitradio Namibia, beim Interview mit Wilfried Hähner. Diese beiden namibischen Persönlichkeiten kennt wohl jeder Namibia-Freund. Und mit welcher Energie sie ihren Traum leben, ist wirklich inspirierend. 

EES startet gerade als Musiker in Europa durch. Mit dem house-lastigen neuen Song "Satisfaction" hat er es in die Top 10 der Charts in Polen geschafft. Ein schöner Erfolg für den Musiker.

Und Wilfried Hähner, Kultmoderator und Gründer von "Hitradio Namibia", steckt ebenfalls unglaubliche Energie in seinen Sender. Den einzigen deutschsprachigen Privatsender Afrikas, mit einer großartigen Musikmischung und natürlich auch deutschsprachiger Werbung von namibischen Firmen. Für ihn war es ein großes unternehmerisches Wagnis, das sich aber inzwischen finanziell auszahlt und viele Fans in Namibia und dank des Livestreams auch in Übersee, also auch in Deutschland, gefunden hat. Hähner moderiert täglich von 5 bis 10 Uhr morgens, danach wirbt er Werbekunden, organisiert Liveübertragungen, steht immer unter Strom. Schlaf bekommt er derzeit nur wenig. Wie viel Herzblut in "Hitradio Namibia" steckt, hört man dem Programm auch an.

Und bei EES' Musik hört man das auch. Für Namibia-Fans ein besonderes Highlight: Die beiden treffen im Hitradio-Namibia-Studio aufeinander. Und EES hat davon ein Video gemacht. Darin fährt er natürlich mit seinem "Shaggon Waggon", dem blauen EES-VW-Bus, zum Sender in Windhoek und sagt, dass das Aufstehen so früh für ihn ja im Grunde so gar nichts sei. Wenn Hähner frühmorgens auf Sendung geht, schläft EES normalerweise noch. Im Video sieht man nun auch mal "Hitradio Namibia" hinter den Kulissen - für Freunde des Programms interessant. 

EES, der konsequent "Südwesterdeutsch", den unter Namibiadeutschen verbreiteten Slang, spricht, sorgt mit dieser eigenen Sprache direkt wieder für Höreranrufe. Für Namibia-Fans ist besonders lustig, wie Wilfried dem Hörer am Ende des Videos erklärt, ja, die Jugend spreche eben heutzutage eine andere Sprache, aber sie könnten natürlich auch ganz normales Hochdeutsch. Das liegt vor allem älteren deutschstämmigen Namibiern immer besonders am Herzen. EES hat den "Nam-Slang" aber längst zum Kult gemacht. Nicht zuletzt mit einem eigenen Wörterbuch, dem "Dickschenärrie" - seiner großen Energie sei Dank. 






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    Journalist Sebastian Geisler lebte 2007 in Namibia, wo er  bei der Namibian Broadcasting Corporation (nbc) in Windhoek für den staatlichen Rundfunk moderierte. Auf diese Weise bekam er Einblicke in namibisches Alltagsleben, politische Entwicklungen, aktuelle Probleme, Herausforderungen und Erfolge. Außerdem erlebte er die beeindruckende Natur, Tierwelt und lernte die herzlichen Menschen in Namibia kennen. 

    Über all das schreibt er seitdem, zunächst auf "blog.zeit.de/namibia" für "ZEIT online" und jetzt hier bei "Spuren im Sand", auf namibiablog.net



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