Namibia - Spuren im Sand
namibiablog.net ist auch bei Facebook
  • Spuren im Sand - Das Namibia-Blog
  • Home
  • Impressum
  • Links

Pohamba droht bei Al Jazeera mit Enteignungen von Farmen - aber noch ist Namibia kein zweites Simbabwe

15/1/2013

0 Comments

 

Von Sebastian Geisler 

Der Post zum Pohamba-Interview hat für Diskussionen gesorgt. Weniger hier im Blog, aber durchaus unter bzw. mit meinen namibischen Freunden und mit Namibia-Interessierten in Deutschland. Zur Erinnerung: Ich hatte - zugegeben - provokant geschrieben, dass Namibias Präsident Hifikepunye Pohamba im Al-Jazeera-Interview eine "Revolution" (so seine Wortwahl) selbst herbeiredet und riskiere, dass sein Land "ins Chaos stürzt". Namibia-Interessierte aus Deutschland fragten mich daraufhin: "Kann man denn nicht mehr nach Namibia fahren in Zukunft?" - Um es ganz klar zu sagen: In Namibia gibt es dieser Tage keinerlei Chaos und man kann auch künftig dort hinfahren. Man sollte es sogar unbedingt.  Es ist ein herrliches Land mit wunderbarer Natur und großartigen Menschen. Und Pohambas Forderung, man solle die Verfassung ändern, um Farmen enteignen zu können, steht ja mitnichten kurz vor der Umsetzung. 

Vielmehr ist mittelfristig (!) eine Landreform nach simbabwischem Vorbild in Namibia nicht zu erwarten. Auch Pohamba sprach im Interview mit Al-Jazeera davon, selbst im Falle einer Enteignung eine Kompensation zahlen zu wollen. Ich gehe davon aus, dass Pohamba, der als besonnen und zurückhaltend gilt, bis zu den Wahlen (für Präsidentschaft und Parlament) 2014 seiner bisherigen, gemäßigten Politik treu bleibt. 

2014 ist Stunde der Wahrheit für Namibia 

Im Jahr 2014 allerdings ist Stunde der Wahrheit: Denn der Rückhalt der Swapo in der Bevölkerung schwindet. Die junge Generation kann sich für den Unabhängigkeitskampf ihrer Großelterngeneration nicht mehr begeistern. Sie wollen keine Sonntagsreden der politischen Führung mehr hören - sondern erleben, dass vom versprochenen Wohlstand, den die Befreiung vom Besatzer Südafrika und seinem Apartheids-Joch bringen sollte, etwas bei ihnen ankommt. 

Die Swapo kann sich ihres Rückhalts bei den einfachen Leuten, die den Großteil ihrer Wählerschaft ausmachen, nicht mehr sicher sein, zumindest nicht langfristig. Für die Swapo, die oppositionelle Aktivitäten in der von ihren sozialistischen Unterstützern gelernten Kampfretorik gern als "konterrevolutionär" geißelt, ist ein Machtverlust aber undenkbar. Die Landreform soll im Notfall als Ventil herhalten, wenn die Opposition an Zulauf gewinnt. 

Rechtsstaatliche Landreform "gescheitert"

Pohamba hat schließlich klar erklärt, dass das vorbildliche Prinzip des  "Willing buyer, willing seller" gescheitert sei und dass daher die Verfassung geändert werden müsse. Dann wären Enteignungen möglich.  Er behauptet, deutschstämmige Farmer verweigerten die Zusammenarbeit. Dabei bieten durchaus mehr von ihnen dem Staat Farmen zum Kauf an, als dieser dann tatsächlich kauft. Warum also dringend noch mehr Farmer ihr Land anbieten sollen, wo die staatlichen Institutionen doch jetzt schon Kauf und Neuverteilung nicht bewältigen können, sagt Pohamba nicht. Wollte er tatsächlich die Umverteilung vorantreiben, müsste er diesen Prozess beschleunigen. 


Mit dem Mittel der Enteignung könnte die Swapo schnell Aktion zeigen und populistisch auf den kleinen, zumeist weißen, wohlhabenden Teil der Bevölkerung verweisen, der nun radikal zur Verantwortung gezogen würde. Die Rechtfertigung dazu hat Pohamba ja bereits geliefert: es gebe sonst eine Radikalisierung mit möglicher "Revolution", und das dürfe im Sinne der öffentlichen Ordnung nicht sein. Erstarken oppositioneller Kräfte und Partei sind nach Swapo-Lesart ein Symptom dieser angeblich drohenden "Revolution" und die Regierung daher geradezu gezwungen, zu  radikalen Maßnahmen zu greifen. 

Die Swapo kann nur gewinnen 

Das heißt letztlich: Entweder die Swapo regiert weiterhin mit großer Mehrheit (was dann als ein Ausdruck der Zufriedenheit mit der Swapo-Politik dargestellt werden würde, ein Kurswechsel bei der schleppenden rechtsstaatlichen Landreform und bei der Aussöhnungspolitik wären unnötig) - oder sie droht die Mehrheit zu verlieren, was als eine Forderung des Volkes nach einem Politikwechsel hin zur Enteignung verkauft werden würde. 

Genau das ist der "Scheideweg", von dem Präsident Hifikepunye Pohamba spricht. Die Swapo-Führung kann bei diesem Spiel also nur gewinnen. 

Hoffnungsträger Hage Geingob

Wahrscheinlicher allerdings ist, dass die Partei 2014 wieder mit komfortabler Mehrheit abschneidet. Als aussichtsreichster Kandidat für die Swapo-Kandidatur um das Präsidentschaftsamt gilt derzeit Hage Gottfried Geingob. Der langjährige Premierminister Namibias spricht fließend Deutsch und hat in den USA bei den Vereinten Nationen gearbeitet, er ist akademisch ausgebildet und hat verschiedentlich Schriften über sein Modell eines friedlichen, modernen Staates Namibia publiziert. Unter Geingobs Führung wäre eine Abkehr von der Aussöhnungspolitik überraschend. 

Für den Fall, dass die Swapo bei der Wahl 2014 und in der Folge ihre Macht grundsätzlich gefährdet sehen sollte, liegt der radikale Plan B allerdings schon in der Schublade.


Namibias Farmer fürchten drohende Enteignungen schon seit Jahren. Dazu ein Beitrag von 2004 von Journeyman Pictures: 

0 Comments

Cost of living - Das Leben in Namibia wird teurer 

13/1/2013

1 Comment

 
Bild
Der Louis Botha Store in der Beethovenstraße ist ein Tante-Emma-Laden. In Berlin würde man auch sagen: Ein Spätkauf. Es gibt hier praktisch alles. Aber die Lebenshaltungskosten in Namibia steigen stetig, klagen die Betreiber










Von Sebastian Geisler

Der Text ist im Juni 2007 zum ersten Mal erschienen. 

Maria regt sich auf. Sie kann sich richtig in Rage reden. So sehr sogar, dass sich ein anderer Kunde im Laden zu uns an den Verkaufstresen kommt und fragt: „What are you argueing about?“ – Dabei streiten wir nicht, Maria klagt mir nur ihr Leid. Denn sie betreibt den „Louis Botha Store“, eine Art nachbarschaftlichen Tante-Emma-Laden in der Beethovenstraße, Ecke Sam Nujoma Drive in Windhoek-West, in der Nähe meiner Unterkunft in der Schubertstraße. Es ist fast ein kleiner Supermarkt, der auf eng gestellten Regalen alles anbietet, was man so braucht – vom frischen Apfel über die Zeitung bis zur Zahnbürste.

Der Milchpreis steigt stetig  

Doch solche Produkte des täglichen Bedarfs verkaufen sich zur Zeit merklich schlechter – sagt Maria hinter ihrem Tresen, während sie mit dem Scanner schnell über meine Wasserflaschen piepst. „Alles wird immer teurer“, klagt die gebürtige Portugiesin. „Hier“, sagt sie, und hält ein Päckchen Zigaretten hoch. „Diesen Monat im Preis gestiegen – und nächsten Monat steigen sie wieder.“ Noch schlimmer sei es mit der Milch. „Die ist schon fünf Mal dieses Jahr erhöht worden – und jetzt ist sie wieder dran. Ich habe gerade unsere neuen Preislisten bekommen.“ Wohin das noch führen soll, frage sie sich. Die Antwort liefert sie gleich mit: Als Deutscher kenne ich doch sicher die Erzählungen meiner Großeltern aus der Nachkriegszeit, wo man sich eben nur zu Weihnachten mal ein gutes Stück Fleisch gegönnt hat. „Und genau dazu wird es wieder kommen, wenn es so weitergeht“, sagt Maria. „Und es wird so weitergehen. Weil wir von Südafrika abhängig sind. Und dort wird alles teurer im Moment.“ Irgendwie habe das auch mit der Fußballweltmeisterschaft zu tun, die 2010 im südlichen Nachbarland Namibias stattfindet. Das habe Maria zumindest gehört. „Wir müssen wieder lernen, zu verzichten.“

Tatsächlich werden im weiten Wüstenland Namibia kaum Produkte für den unmittelbaren Konsum produziert. Höchstens Farmprodukte wie Milch und Fleisch. Das liegt auch an den wirtschaftlichen Strukturen, die das südafrikanische Besatzungsregime bis 1990 geschaffen hat: die Rohstoffe kommen aus dem damaligen Südwestafrika, die Weiterverarbeitung findet in Südafrika statt - und stärkt die dortige Wirtschaft. Das ist heute noch ein Problem. Denn noch heute wird das meiste, von „Kellog’s“-Cornflakes bis zum Dosenthunfisch, in Südafrika hergestellt und dann auf dem Landweg nach Namibia gebracht oder über den Tiefseehafen Walvis Bay eingeführt. Und den weiten Transport zahlt man mit. Wenn dann noch der Benzinpreis steigt, dauert es nicht lange, bis die Teuerung auf den Preis der einzelnen Produkte in den Läden durchschlägt – In Läden wie dem „Louis Botha Store“ eben, wo Maria meine Einkäufe mit gekonnten Griffen in weiße Plastiktüten packt. Wenn sie selber aus ihrem Geschäft dann noch Gewinn ziehen wolle, dann müsse sie ebenfalls noch ein paar Cent oder gar Namibia-Dollar auf die höheren Preise draufschlagen – schließlich bleiben bei jeder Teuerung Kunden weg, erzählt sie.

Rund 100 Euro Mindestlohn - im Monat 

Denn die Löhne steigen eben nicht mit. „1000 Namibia-Dollar ist der Mindestlohn hier“, sagt Maria. „Also ungefähr 100 Euro im Monat. Wie weit kommt man damit in Europa?“, fragt sie. „Wer würde dafür in Portugal überhaupt arbeiten? Und hier kommt man damit auch nicht viel weiter! Irgendwie schaffen es die Leute, mit ihrem geringen Einkommen trotzdem über die Runden zu kommen, indem sie jeden Rand dreimal umdrehen und genau rechnen. Aber man muss sich nicht wundern, wenn die Kriminalität steigt. Man kann es den Menschen, die hier anfangen zu klauen, im Grunde nicht mal übelnehmen.“ Sie selbst zahle ihren Angestellten zwar mehr als den Mindestlohn, aber viel sei auch das nicht. Tatsächlich wundert man sich, wie die Leute es schaffen, mit ihren paar tausend Namibia-Dollar ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Auch für Europäer sind Aufenthalt und Leben in Namibia nicht billig. Dabei kann man mit dem Euro hier immer noch weit mehr kaufen als mit dem Namibia-Dollar – das sagen zumindest die Namibier. Auch wenn etwa Milchprodukte in Namibia teurer sind als in Europa, Fleisch und Bier hingegen deutlich günstiger. In großen Supermärkten wie „Pick n Pay“, „Superspar“ und „Woermann Brock“ gibt es in Windhoek und den anderen größeren Orten Namibias Produkte der Ersten Welt zu Preisen der Ersten Welt. 

Auch im Windhoeker Township Katutura gibt es diese Supermärkte – aber billiger wird es auch dort kaum sein.

Ein Sechserpack Bier als letzten Luxus 

Als Streitthema taugen die Lebenshaltungskosten im südwestlichen Afrika jedenfalls nicht, das merkt auch der Arbeiter, der im Blaumann einen Sechserpack Bier auf die Theke wuchtet – der letzte Luxus, den ich er sich vor dem „Pay Day“, dem Zahltag, diesen Monat noch gönnen wolle, sagt er. Das Leben wird teurer – Darüber gibt es keine zwei Meinungen.


1 Comment

Namibia "am Scheideweg" - Wie Präsident Pohamba eine "Revolution" schürt 

12/1/2013

3 Comments

 
Von Sebastian Geisler 

Namibias Präsident Pohamba redet eine "Revolution" herbei. Mit einem Interview bei Al-Jazeera bringt er sein befriedetes Land wieder in die Schlagzeilen. Wachsende Unzufriedenheit der Wähler mache es "unregierbar". Genau die schürt er jetzt absichtlich - um zugleich einen Schuldigen zu präsentieren und von den Versäumnissen in mehr als 22 Jahren Swapo-Regierung abzulenken. Sein Land sei "am Scheideweg". Lieber riskiert er den Absturz Namibias ins Chaos als einen Machtverlust seiner Partei. Eine Analyse. 

Namibias Präsident Hifikepunye Pohamba dürfte der einzige Präsident der Welt sein, der selber eine Revolution in seinem Land heraufbeschwört. Pohamba, der sonst als besonnen und versöhnlich gilt, nutzt das heikle Thema Landreform zur Aufwiegelung und Mobilisierung. In einem Interview mit dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera sorgte er für Diskussionen im Land: Werde die Umverteilung von Farmland nicht beschleunigt, so seine dringende Prognose, würde die wachsende Unzufriedenheit der schwarzen Bevölkerungsmehrheit - die ihn gewählt hat - gefährlich. Landbesitz sei ein wirksames Mittel zu Wohlstand, daher könne es dann zu Gewaltausbrüchen und Farmbesetzungen kommen. "In einer solchen Situation wäre das Land unregierbar", so Pohamba. Das allerdings heißt vor allem: unregierbar für ihn und seine Partei Swapo. Die sieht sich als einzig legitime politische Kraft Namibias, eine Abwahl und anschließende Oppositionsarbeit im namibischen Parlament sind nach Swapo-Lesart undenkbar und ein Rückfall in Apartheidszeiten. Es gilt, die Macht um jeden Preis zu erhalten. Pohamba will offenkundig vorsorglich einen Schuldigen finden für die magere Regierungsbilanz der Swapo. Darum redet er einen Konflikt bei der Landfrage herbei und schürt die Unzufriedenheit noch - damit er den Wählern zugleich Scheinlösungen anbieten kann, die von 23 Jahren Swapo-Regierungsverantwortung ablenken sollen. Sein Land sei, das sagt Pohamba deutlich, jetzt "am Scheideweg". 


Die Unzufriedenheit der Armen 

Denn tatsächlich wächst die Unzufriedenheit im Land. Im Jahr 23 nach der Unabhängigkeit - die Swapo regiert seitdem ununterbrochen - herrschen zwar Frieden und Stabilität, aber es ist der Regierung nicht im Ansatz gelungen, das große Gefälle zwischen Arm und Reich einzuebnen. Einer dünnen weißen und schwarzen - urbanen -  Oberschicht und wachsenden, aber kleinen schwarzen und weißen Mittelschicht, steht in den ländlichen Gebieten die große Masse der Armen gegenüber. Viele arbeitslos oder Tagelöhner, kaum ausgebildet und praktisch ohne Zugang zu jenen Gütern, die der Oberschicht in den Städten auf europäischem Niveau zur Verfügung stehen. Diese übergroße, arme Mehrheit sind die Menschen, mit denen seit der Unabhängigkeit 1990 in Namibia Wahlen gewonnen werden. Aber sie fühlen sich zunehmend betrogen von der Swapo. Die ländlichen Regionen gelten als vernachlässigt, Parteiobere und Gouverneure besuchen hauptsächlich vor anstehenden Wahlen die armen Namibier und machen Versprechen. 

Gefährliche Fragen nach Korruption und Misswirtschaft 

Das weiße Apartheidregime strebte danach, die breite Masse der Schwarzen möglichst ungebildet zu halten, sie nur als billige Arbeitskräfte zu nutzen. Das Konzept parlamentarischer Demokratie ist vielen Wählern vor allem in den abgelegenen Provinzen immer noch fremd, eine Tageszeitung oft unerschwinglich. Davon profitiert heute ausgerechnet die einstige Befreiungsbewegung und jetzige Regierungspartei Swapo, die wenig Interesse daran hat, kritische Geister auszubilden, denen sie Rechenschaft schuldig wäre. Dabei werden durchaus Stimmen laut gegen die Regierung, und sie kommen verstärkt von den Armen. Sie beteiligen sich an den Anrufsendungen der Namibian Broadcasting Corporation, stellen Fragen nach Korruption, Misswirtschaft und Staatsdiener-Pensionen. Sie wollen wissen, warum Prestigeprojekte wie der Bau des lächerlich überdimensionierten Staatshauses ausschließlich von nordkoreanischen Arbeitskräften ausgeführt werden, statt von namibischen Firmen mit namibischen Arbeitern. Abgesehen davon, dass die Armen schlechteren Zugang zu Informationen und Bildungsangeboten haben, ist es nicht verwunderlich, dass gerade sie sich beschweren: Ineffiziente Verwaltung und ihre Folgen, berstende Trinkwasserleitungen oder Stromausfälle (so sie denn über eine Unterkunft und Stromanschluss verfügen) treffen sie deutlich härter als wohlhabendere Namibier. 

Die Pressefreiheit wird Namibias Regierung unbequem 

Zeitweilig ließ Pohamba diese auch als "öffentliches Parlament" bekannten Diskussionssendungen einstellen. Trotz der Pressefreiheit in Namibia ist der Einfluss der Regierung auf die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt groß. Aber da das Verbot erst recht Protest hervorrief, ließ er die Programme wieder zu - mit der Auflage, die Livesendungen mit einer einminütigen Verzögerung auszustrahlen. 

Die renommierte Tageszeitung "Namibian" - zu Apartheitszeiten vom weißen Regime verboten und verfolgt - ist inzwischen auch der Swapo unbequem: Auf einer ganzen Seite können auch wenig finanzkräfte Leser billig per SMS ihre Meinung kundtun. In den Reihen der Swapo wurde ein Verbot dieser Rubrik erwogen. 

Ein gefährliches Spiel 

Die Landwirtschaft ist das Rückgrat von Namibias Wirtschaft und wichtigster Zweig neben Uran- und Diamantenförderung und dem Tourismus. Gerade darum ist es gefährlich, funktionierende Großbetriebe anzutasten. Diese sind - tatsächlich - ganz überwiegend in der Hand weißer Besitzer, meist seit Generationen. "Weggenommenes Land", nennt Pohambas das durchaus zurecht. Die schwarze Bevölkerungsmehrheit fragte damals schließlich niemand nach ihrer Zustimmung, als die Deutschen die Kolonie infrastrukturell erschlossen, Land erst in Besitz nahmen und dann deutsche Farmer ansiedelten. Historisches Unrecht, das die Swapo-Regierung bisher ganz rechtsstaatlich zu lösen versprach: Nach dem Prinzip "Willing buyer, willing seller" (Williger Käufer, williger Verkäufer) sollten Großgrundbesitzer, die ihre Farmbetriebe verkaufen wollen, diese dem Staat anbieten. Der kauft dann mit Steuergeld zu einem marktgerechten Preis das Land und gibt es weiter an schwarze Neufarmer. Doch dieser Vorgang läuft schleppend. "Weil die deutschen Farmer leider unkooperativ sind", sagte Pohamba im Al-Jazeera-Interview. Zu wenige seien bereit, zu verkaufen. Das ist mehr als fraglich.

Abkehr von der Rechtsstaatlichkeit 

Pohambas erwägt daher offen eine Enteignung. "Aber das ist leider aufgrund unserer Verfassung nicht möglich", sagte er. Eventuell müsse man das ändern, um die Möglichkeit zu bekommen, zwangsweise Farmen zu übernehmen. 

In Wahrheit ist nicht ein Mangel an willigen Verkäufern das Problem. Vielmehr schöpft das Landwirtschaftsministerium seinen Etat für den Kauf von Farmen nicht aus, reagiert der Staat spät oder gar nicht auf entsprechende Angebote. Und bei der Weitergabe von Farmland an ehemals Landlose brauchen die Zuständigen zu viel Zeit. Die Präzedenzfälle, in denen Neufarmer angesiedelt wurden, machen allerdings ebenfalls wenig Mut. Auf den Farmen Marburg und Ongombe-West ließ sich bislang kein produktiver Betrieb etablieren, es fehlt den Arbeitern an Ausbildung und Kenntnissen, oftmals auch an technischem Gerät und der Fähigkeit, dieses zu nutzen. 

Namibia - ein neues Simbabwe?

Das ist fatal. Denn es ist ohnehin äußerst schwierig, auf Namibias trockenem Boden mit Farmerei seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dort, wo es gelingt, auf den funktionierenden Großfarmen, arbeiten Dutzende etablierte schwarze Kräfte, deren Wohl ganz unmittelbar vom Erfolg des Betriebes abhängt, egal ob in schwarzer oder weißer Hand. Sie und der Farmeigner befinden sich in einer gegenseitigen Abhängigkeit: Der Farmer kann ohne sie das Land nicht bewirtschaften, die Angestellten bekommen von ihrem "baas" (Afrikaans für Chef) wesentliche Versorgungsleistungen gestellt - bis hin zu medizinischer Hilfe und dem Ermöglichen eines Schulbesuchs für die Kinder seiner Mitarbeiter. So ist es zu erklären, warum im Nachbarland Simbabwe, als Diktator Robert Mugabe mit bewaffneten Mordbrennern Farmen konfiszieren ließ, in vielen Fällen die schwarzen Farmarbeiter gemeinsam mit ihrem weißen Farmer versuchten, die Eindringlinge zu vertreiben. In Simbabwe wurden die beschlagnahmten Farmen entweder linientreuen Regierungsoberen geschenkt, die diese zumeist als Jagdfarm nutzen statt für landwirtschaftliche Produktion, oder sie wurden an vollkommen neue Bewirtschafter und Angestellte vergeben, die mit landwirtschaftlichem Betrieb nicht oder kaum vertraut waren - während die früheren schwarzen Arbeiter mitsamt ihrem weißen Chef weichen mussten. Für den einzelnen Arbeiter bitter, für das Land ein Verlust an Know-How und letztlich der Grund für den Zusammenbruch der vormals florierenden Wirtschaft Simbabwes. 

Darauf im Interview angesprochen, grinste Namibias Präsident Hifikepunye Pohamba nur. Über Simbabwe, so sagte er, wolle er nun nicht sprechen. Er wolle jetzt über Namibia sprechen. 







 


3 Comments
    Bild
    Hier klicken, um benutzerdefiniertes HTML anzuwenden
    View my profile on LinkedIn

    Autor

    Journalist Sebastian Geisler lebte 2007 in Namibia, wo er  bei der Namibian Broadcasting Corporation (nbc) in Windhoek für den staatlichen Rundfunk moderierte. Auf diese Weise bekam er Einblicke in namibisches Alltagsleben, politische Entwicklungen, aktuelle Probleme, Herausforderungen und Erfolge. Außerdem erlebte er die beeindruckende Natur, Tierwelt und lernte die herzlichen Menschen in Namibia kennen. 

    Über all das schreibt er seitdem, zunächst auf "blog.zeit.de/namibia" für "ZEIT online" und jetzt hier bei "Spuren im Sand", auf namibiablog.net



    Archives

    Juli 2014
    Februar 2014
    September 2013
    August 2013
    Juli 2013
    Mai 2013
    April 2013
    März 2013
    Januar 2013
    November 2012
    Juli 2007
    April 2007

    RSS Feed


Powered by Create your own unique website with customizable templates.
Photo used under Creative Commons from Tscherno