
Wenn es einen Ort gebe, wo das gelungen ist, kommentiert der renommierte "Namibian" in seinem Editorial sehr klug, dann sei das in Lüderitz. Wo man sich eben zunächst als "Buchter" versteht und dann erst als Ovambo, Nama, Deutscher, Damara, Herero, Weißer, Schwarzer. Ausgerechnet das wird nun - ob mit Absicht oder leichtfertig - angetastet. In der Facebook-Gruppe "Luderitz not Naminus" kann man die Diskussion aufgebrachter Buchter mitverfolgen.
Manche urteilen vorschnell - und ziehen die falschen Schlüsse
Noch ein zweites witziges Phänomen ist zu beobachten, und zwar in Deutschland: Viele deutsche Kommentatoren unter den Artikeln über die Lüderitz-Umbenennung haben sofort die Einschätzung zur Hand, dass diese Maßnahme ja dringend überfällig sei, "Gott sei Dank" weicht der deutsche Name. Das ist insofern erstaunlich, als sie damit genau die Haltung offenbaren, die sie "deutschtümelnden" Ewiggestrigen (deren Kommentare man dort vereinzelt auch lesen kann) vorhalten: sie als Deutsche wissen, was für eine afrikanische Küstenstadt am Atlantik richtig ist - per Ferndiagnose aus dem 10.000 Kilometer entfernten Deutschland. Das hat eine gewisse Ironie, zugleich ist es verständlich, wenn man Namibia nicht kennt.
Denn der Annahme, alles Deutsche in Namibia sei ein Zeichen von Unterdrückung und Kolonialherrentum, liegt ein Irrtum zugrunde: Was heute in Namibia noch irgendwie deutsch aussieht oder klingt, hat mit Deutschland und den Deutschen nämlich wenig zu tun. Das, was in Namibia heute vermeintlich deutsch ist, ist in Wahrheit längst namibisch. Dazu gehören auch die deutsche Sprache als Minderheitenphänomen und diejenigen, die sie sprechen, ob schwarz oder weiß. Viele Schwarze tragen auch deutsche Namen - und wenn man sie darauf anspricht, verstehen sie kaum, was daran besonders oder bemerkenswert sein soll. Dazu muss man sagen: Es sind oft Namen wie Wilhelm oder Anton, ich lernte auch mal einen Engelhardt kennen. Mit dem heutigen Deutschland hat das nichts mehr zu tun. Nur so ist es zu erklären, warum etwa ein Bauprojekt wie der geplante "Neckartal"-Damm im Süden Namibias überhaupt diesen Namen erhält.
Zugleich ist es wichtig, bisher unterrepräsentierte indigene Kultur sichtbar zu machen, zum Beispiel bei Straßennamen. Das heißt aber nicht, dass deutsche Einflüsse im modernen Namibia - etwa in der Essenskultur - zum Auslaufmodell erklärt werden müssten. (Das kann sich übrigens auch bei umbenannten Straßen zeigen, etwa im Falle der neuen "Reinhold Shilongo Street" in Tsumeb oder bei der umbenannten Windhoeker "Lutherstraße". Diese heißt nun nach einem deutschstämmigen namibischen Geschäftsmann, den die Stadtverwaltung ehren wollte: "Harold Pupkewitz St".
Neue Bauten imitieren alte Architektur
In Swakopmund zum Beispiel ist einst deutsche Architektur in namibische übergegangen: Neubauten im Stadtzentrum nehmen reichlich Anleihen an Gebäuden aus der Gründerzeit der Stadt - teils baulich verordnet vom von der Regierungspartei Swapo dominierten Stadtrat. Dass in vielen Schulen des Landes oder im Goethe-Zentrum auch Deutsch erlernt werden kann, hat ebenfalls mehr mit Namibia als mit dem heutigen Deutschland zu tun. Auch das öffentlich-rechtliche "Deutsche Hörfunkprogramm der nbc" (Namibian Broadcasting Corporation) versteht sich ausdrücklich als namibischer Sender in deutscher Sprache - nicht als deutsches Radio in Namibia. Es wird ja auch vom namibischen Staat unterhalten - wie die anderen Programme der nbc.
So könnte also ein schwarzer "Buchter", der bei diesem Namen an seine Gemeinschaft und sein afrikanisches Zuhause denkt, empört reagieren, wenn ein Deutscher aus Europa ihm erklärt, dieser Name sei ein Zeichen der Unterdrückung und gehöre dringend entfernt. Wer das also bei einem Besuch in Namibia vorhat, sollte sich bewusst machen: obwohl er vielerorts deutsche Begriffe und Einflüsse sehen wird, ist er es doch, der dort der Ausländer ist - und besser erst einmal beobachtet und die Menschen unterschiedlichster Ethnien kennenlernt, ehe er zu vorschnellen Schlüssen kommt.
Aber im Grunde zeigt sich das bei einem Besuch in Namibia schnell: Man ist in Afrika, darüber kann auch ein Name wie der "Ochsenwagen Take-Away" für eine Art Raststätte neben der Nord-Süd-Verkehrsader B1 nicht hinwegtäuschen. Er ist allenfalls kurios.