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Warum vieles Deutsche in Namibia in Wahrheit namibisch ist 

19/8/2013

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Alles andere als deutsch: Außer dem Namen aus der deutschen Sprache wirkt der "Ochsenwagen Take-Away" recht afrikanisch Foto: Sebastian Geisler
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In Namibia gibt es also Unfrieden wegen der Umbenennung von Lüderitz. Die "Buchter" wollen Buchter bleiben, zumindest die Mehrheit, wie es sich darstellt. Gerade das bringt ein Phänomen zum Vorschein, das in Namibia ansonsten überall angestrebt, aber leider kaum erreicht worden ist: eine gemeinsame Identität. Das ist im Sinne des "Nation Building", das Namibia betreiben will, um die zahlreichen ethnischen Gruppen Namibias zu einer Nation zusammenzuführen. 

Wenn es einen Ort gebe, wo das gelungen ist, kommentiert der renommierte "Namibian" in seinem Editorial sehr klug, dann sei das in Lüderitz. Wo man sich eben zunächst als "Buchter" versteht und dann erst als Ovambo, Nama, Deutscher, Damara, Herero, Weißer, Schwarzer. Ausgerechnet das wird nun - ob mit Absicht oder leichtfertig - angetastet. In der Facebook-Gruppe "Luderitz not Naminus" kann man die Diskussion aufgebrachter Buchter mitverfolgen. 

Manche urteilen vorschnell - und ziehen die falschen Schlüsse 

Noch ein zweites witziges Phänomen ist zu beobachten, und zwar in Deutschland: Viele deutsche Kommentatoren unter den Artikeln über die Lüderitz-Umbenennung haben sofort die Einschätzung zur Hand, dass diese Maßnahme ja dringend überfällig sei, "Gott sei Dank" weicht der deutsche Name. Das ist insofern erstaunlich, als sie damit genau die Haltung offenbaren, die sie "deutschtümelnden" Ewiggestrigen (deren Kommentare man dort vereinzelt auch lesen kann) vorhalten: sie als Deutsche wissen, was für eine afrikanische Küstenstadt am Atlantik richtig ist - per Ferndiagnose aus dem 10.000 Kilometer entfernten Deutschland. Das hat eine gewisse Ironie, zugleich ist es verständlich, wenn man Namibia nicht kennt. 

Denn der Annahme, alles Deutsche in Namibia sei ein Zeichen von Unterdrückung und Kolonialherrentum, liegt ein Irrtum zugrunde: Was heute in Namibia noch irgendwie deutsch aussieht oder klingt, hat mit Deutschland und den Deutschen nämlich wenig zu tun. Das, was in Namibia heute vermeintlich deutsch ist, ist in Wahrheit längst namibisch. Dazu gehören auch die deutsche Sprache als Minderheitenphänomen und diejenigen, die sie sprechen, ob schwarz oder weiß. Viele Schwarze tragen auch deutsche Namen - und wenn man sie darauf anspricht, verstehen sie kaum, was daran besonders oder bemerkenswert sein soll. Dazu muss man sagen: Es sind oft Namen wie Wilhelm oder Anton, ich lernte auch mal einen Engelhardt kennen. Mit dem heutigen Deutschland hat das nichts mehr zu tun. Nur so ist es zu erklären, warum etwa ein Bauprojekt wie der geplante "Neckartal"-Damm im Süden Namibias überhaupt diesen Namen erhält.

Zugleich ist es wichtig, bisher unterrepräsentierte indigene Kultur sichtbar zu machen, zum Beispiel bei Straßennamen. Das heißt aber nicht, dass deutsche Einflüsse im modernen Namibia - etwa in der Essenskultur - zum Auslaufmodell erklärt werden müssten. (Das kann sich übrigens auch bei umbenannten Straßen zeigen, etwa im Falle der neuen "Reinhold Shilongo Street" in Tsumeb oder bei der umbenannten Windhoeker "Lutherstraße". Diese heißt nun nach einem deutschstämmigen namibischen Geschäftsmann, den die Stadtverwaltung ehren wollte: "Harold Pupkewitz St".

Neue Bauten imitieren alte Architektur 

 In Swakopmund zum Beispiel ist einst deutsche Architektur in namibische übergegangen: Neubauten im Stadtzentrum nehmen reichlich Anleihen an Gebäuden aus der Gründerzeit der Stadt -  teils baulich verordnet vom von der Regierungspartei Swapo dominierten Stadtrat. Dass in vielen Schulen des Landes oder im Goethe-Zentrum auch Deutsch erlernt werden kann, hat ebenfalls mehr mit Namibia als mit dem heutigen Deutschland zu tun. Auch das öffentlich-rechtliche "Deutsche Hörfunkprogramm der nbc" (Namibian Broadcasting Corporation) versteht sich ausdrücklich als namibischer Sender in deutscher Sprache - nicht als deutsches Radio in Namibia. Es wird ja auch vom namibischen Staat unterhalten - wie die anderen Programme der nbc. 

So könnte also ein schwarzer "Buchter", der bei diesem Namen an seine Gemeinschaft und sein afrikanisches Zuhause denkt, empört reagieren, wenn ein Deutscher aus Europa ihm erklärt, dieser Name sei ein Zeichen der Unterdrückung und gehöre dringend entfernt. Wer das also bei einem Besuch in Namibia vorhat, sollte sich bewusst machen: obwohl er vielerorts deutsche Begriffe und Einflüsse sehen wird, ist er es doch, der dort der Ausländer ist - und besser erst einmal beobachtet und die Menschen unterschiedlichster Ethnien kennenlernt, ehe er zu vorschnellen Schlüssen kommt. 

Aber im Grunde zeigt sich das bei einem Besuch in Namibia schnell: Man ist in Afrika, darüber kann auch ein Name wie der "Ochsenwagen Take-Away" für eine Art Raststätte neben der Nord-Süd-Verkehrsader B1 nicht hinwegtäuschen. Er ist allenfalls kurios. 

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Namibias Hafenstadt Lüderitz wird umbenannt

9/8/2013

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Namibias Küstenstadt Lüderitz wird umbenannt
Küstenstadt in Namibia mit deutschen Wurzeln: Lüderitz wird umbenannt - in "Naminüs". Foto: Sebastian Geisler
Von Sebastian Geisler 

Paukenschlag in Namibia: Die Küstenstadt Lüderitz verliert ihren deutschen Namen, auch der Caprivi-Zipfel wird umbenannt. Das hat Präsident Hifikepunye Pohamba am 8. August völlig überraschend bekannt gegeben. Die Änderungen sollen bereits am heutigen 9. August im Amtsblatt veröffentlicht werden und somit sofort in Kraft treten. Für Namibia ist das eine radikale Kehrtwende in der Politik zur Benennung geografischer Ortsnamen. Bisher galt als ausgemacht, dass die bestehenden Städtenamen - egal welchen Ursprungs - als gesamtnamibisches Erbe Bestand haben. Das schloss ausdrücklich auch Ortsnamen aus dem Deutschen mit ein. Nun die Abkehr von dieser Politik. Quasi im Alleingang - begleitet einzig von der namibischen Grenzziehungskommission - hat Präsident Pohamba die Umbenennungen verfügt. 

Das kommt vor allem deswegen so überraschend, weil es im Vorfeld keinerlei politische oder zivilgesellschaftliche Debatte - oder überhaupt Forderungen - nach Umbenennungen gegeben hatte. Pohamba sieht darin einen Schritt, koloniales Erbe abzulegen. Das mag aus europäischer Sicht zunächst einleuchtend klingen. Umso erstaunlicher aber ist, dass es in den betroffenen Orten unter der weit mehrheitlich schwarzen Bevölkerung eine in ersten Reaktionen offenbar mehrheitlich ablehnende Haltung gegen diese Umbenennungen gibt. 


Der Name erinnert an die Stadt - nicht an den Kolonialherren


Zwar heißt Lüderitz nach dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz, der mit dem Erwerb von Land in der späteren Lüderitzbucht an der Westküste Namibias den Grundstein für die deutsche Inbesitznahme Südwestafrikas legt, aber in Namibia störte sich daran bisher kaum jemand. Der Name wird längst einzig mit der Stadt assoziiert, der koloniale Ursprung scheint dabei kaum noch eine Rolle zu spielen. Die Menschen in Lüderitz nennen sich in sämtlichen Sprachen "Buchter", nach der Lüderitzbucht. Dieses Selbstverständnis wird nun von Namibias Regierung angegriffen. Das verursacht Ablehnung und emotionale Reaktionen - obwohl es in Lüderitz selbst nur noch eine Handvoll deutschsprachiger Familien gibt. 


Spannung zwischen Regierung und Zivilgesellschaft 

Es handelt sich also nicht um eine Auseinandersetzung entlang ethnischer Gruppen, sondern um eine Spannung zwischen Regierung und Zivilgesellschaft insgesamt, die nun zutage tritt. Lüderitz soll ab sofort den Namen 
 "!Namiǂnûs"  (auch "Naminüs") tragen. Angeblich handelt es sich dabei um den "ursprünglichen" Namen des Ortes, was mehr als zweifelhaft erscheint. Vor der Gründung des Ortes Lüderitz ist keine Besiedelung der unwirtlichen Gegend an Namibias Südwestküste bekannt (während es im Falle anderer namibischer Ortsnamen durchaus auch indigene Namen gibt). 

Problematisch scheint die Umbenennung von Lüderitz auch, weil der Ort vor allem mit seinem historischen Erbe Touristen anzieht. Der Ort, der auf dem Landweg nur mühsam zu erreichen ist, stellte mit seiner kolonialen Architektur, deutschen Straßennamen und dem deutschen Namen eine Kuriosität zwischen Wüste und rauem Atlantik dar. Aus diesem Grund hatte die Stadtverwaltung die deutschen Straßennamen (wie Bahnhofstraße oder Bismarckstraße) bewusst beibehalten - anders als viele andere Städte Namibias, in denen vor allem größere Hauptstraßen längst nach namibischen Politikern heißen. 


"Caprivi" muss gehen

Auch die Caprivi-Region erhält einen neuen Namen. "Caprivi" klingt zwar eher nach einer exotischen Frucht als nach einem deutschen Reichskanzler (Leo von Caprivi), aber der Name missfiel Pohamba ob dieses Ursprungs. Die Region soll ab sofort Zambesi oder Sambesi heißen. 

Das könnte wiederum einen ethnischen Konflikt befördern. Allerdings keinen zwischen Schwarzen und Weißen, denn Weiße gibt es kaum im Caprivi-Zipfel. Vielmehr war der Name "Caprivi" identitätsstiftend für die abgelegene Region im äußersten Nordosten Namibias. Die diversen ethnischen Gruppen, die in der Region leben, verstehen sich trotz ihrer unterschiedlichen Identitäten als "Caprivier". 

Seit der Unabhängigkeit Namibias strebt eine Untergrundorganisation von Separatisten danach, die Region von Namibia abzuspalten. Auch eine von der namibischen Regierung verfolgte Partei strebt nach der Abspaltung. Die Partei "Caprivi Freedom" wollte einen eigenständigen Staat errichten in den Grenzen des Gebietes, das unter Reichskanzler Leo von Caprivi im Zuge eines Tauschs gegen die Inseln Sansibar und Helgoland von der einstigen Kolonialmacht Großbritannien dem damaligen Deutsch-Südwest übergeben worden war. 2002 erklärte die Volksgruppe der Itengese einseitig die Unabhängigeit von Namibia. Ihr neuer Staat "Free State of Caprivi" (Freistaat Caprivi), der den Namen eines einstigen deutschen Reichskanzlers tragen sollte, wurde international nicht anerkannt. 

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    Autor

    Journalist Sebastian Geisler lebte 2007 in Namibia, wo er  bei der Namibian Broadcasting Corporation (nbc) in Windhoek für den staatlichen Rundfunk moderierte. Auf diese Weise bekam er Einblicke in namibisches Alltagsleben, politische Entwicklungen, aktuelle Probleme, Herausforderungen und Erfolge. Außerdem erlebte er die beeindruckende Natur, Tierwelt und lernte die herzlichen Menschen in Namibia kennen. 

    Über all das schreibt er seitdem, zunächst auf "blog.zeit.de/namibia" für "ZEIT online" und jetzt hier bei "Spuren im Sand", auf namibiablog.net



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