Von Sebastian Geisler
Der Post zum Pohamba-Interview hat für Diskussionen gesorgt. Weniger hier im Blog, aber durchaus unter bzw. mit meinen namibischen Freunden und mit Namibia-Interessierten in Deutschland. Zur Erinnerung: Ich hatte - zugegeben - provokant geschrieben, dass Namibias Präsident Hifikepunye Pohamba im Al-Jazeera-Interview eine "Revolution" (so seine Wortwahl) selbst herbeiredet und riskiere, dass sein Land "ins Chaos stürzt". Namibia-Interessierte aus Deutschland fragten mich daraufhin: "Kann man denn nicht mehr nach Namibia fahren in Zukunft?" - Um es ganz klar zu sagen: In Namibia gibt es dieser Tage keinerlei Chaos und man kann auch künftig dort hinfahren. Man sollte es sogar unbedingt. Es ist ein herrliches Land mit wunderbarer Natur und großartigen Menschen. Und Pohambas Forderung, man solle die Verfassung ändern, um Farmen enteignen zu können, steht ja mitnichten kurz vor der Umsetzung.
Vielmehr ist mittelfristig (!) eine Landreform nach simbabwischem Vorbild in Namibia nicht zu erwarten. Auch Pohamba sprach im Interview mit Al-Jazeera davon, selbst im Falle einer Enteignung eine Kompensation zahlen zu wollen. Ich gehe davon aus, dass Pohamba, der als besonnen und zurückhaltend gilt, bis zu den Wahlen (für Präsidentschaft und Parlament) 2014 seiner bisherigen, gemäßigten Politik treu bleibt.
2014 ist Stunde der Wahrheit für Namibia
Im Jahr 2014 allerdings ist Stunde der Wahrheit: Denn der Rückhalt der Swapo in der Bevölkerung schwindet. Die junge Generation kann sich für den Unabhängigkeitskampf ihrer Großelterngeneration nicht mehr begeistern. Sie wollen keine Sonntagsreden der politischen Führung mehr hören - sondern erleben, dass vom versprochenen Wohlstand, den die Befreiung vom Besatzer Südafrika und seinem Apartheids-Joch bringen sollte, etwas bei ihnen ankommt.
Die Swapo kann sich ihres Rückhalts bei den einfachen Leuten, die den Großteil ihrer Wählerschaft ausmachen, nicht mehr sicher sein, zumindest nicht langfristig. Für die Swapo, die oppositionelle Aktivitäten in der von ihren sozialistischen Unterstützern gelernten Kampfretorik gern als "konterrevolutionär" geißelt, ist ein Machtverlust aber undenkbar. Die Landreform soll im Notfall als Ventil herhalten, wenn die Opposition an Zulauf gewinnt.
Rechtsstaatliche Landreform "gescheitert"
Pohamba hat schließlich klar erklärt, dass das vorbildliche Prinzip des "Willing buyer, willing seller" gescheitert sei und dass daher die Verfassung geändert werden müsse. Dann wären Enteignungen möglich. Er behauptet, deutschstämmige Farmer verweigerten die Zusammenarbeit. Dabei bieten durchaus mehr von ihnen dem Staat Farmen zum Kauf an, als dieser dann tatsächlich kauft. Warum also dringend noch mehr Farmer ihr Land anbieten sollen, wo die staatlichen Institutionen doch jetzt schon Kauf und Neuverteilung nicht bewältigen können, sagt Pohamba nicht. Wollte er tatsächlich die Umverteilung vorantreiben, müsste er diesen Prozess beschleunigen.
Mit dem Mittel der Enteignung könnte die Swapo schnell Aktion zeigen und populistisch auf den kleinen, zumeist weißen, wohlhabenden Teil der Bevölkerung verweisen, der nun radikal zur Verantwortung gezogen würde. Die Rechtfertigung dazu hat Pohamba ja bereits geliefert: es gebe sonst eine Radikalisierung mit möglicher "Revolution", und das dürfe im Sinne der öffentlichen Ordnung nicht sein. Erstarken oppositioneller Kräfte und Partei sind nach Swapo-Lesart ein Symptom dieser angeblich drohenden "Revolution" und die Regierung daher geradezu gezwungen, zu radikalen Maßnahmen zu greifen.
Die Swapo kann nur gewinnen
Das heißt letztlich: Entweder die Swapo regiert weiterhin mit großer Mehrheit (was dann als ein Ausdruck der Zufriedenheit mit der Swapo-Politik dargestellt werden würde, ein Kurswechsel bei der schleppenden rechtsstaatlichen Landreform und bei der Aussöhnungspolitik wären unnötig) - oder sie droht die Mehrheit zu verlieren, was als eine Forderung des Volkes nach einem Politikwechsel hin zur Enteignung verkauft werden würde.
Genau das ist der "Scheideweg", von dem Präsident Hifikepunye Pohamba spricht. Die Swapo-Führung kann bei diesem Spiel also nur gewinnen.
Hoffnungsträger Hage Geingob
Wahrscheinlicher allerdings ist, dass die Partei 2014 wieder mit komfortabler Mehrheit abschneidet. Als aussichtsreichster Kandidat für die Swapo-Kandidatur um das Präsidentschaftsamt gilt derzeit Hage Gottfried Geingob. Der langjährige Premierminister Namibias spricht fließend Deutsch und hat in den USA bei den Vereinten Nationen gearbeitet, er ist akademisch ausgebildet und hat verschiedentlich Schriften über sein Modell eines friedlichen, modernen Staates Namibia publiziert. Unter Geingobs Führung wäre eine Abkehr von der Aussöhnungspolitik überraschend.
Für den Fall, dass die Swapo bei der Wahl 2014 und in der Folge ihre Macht grundsätzlich gefährdet sehen sollte, liegt der radikale Plan B allerdings schon in der Schublade.
Namibias Farmer fürchten drohende Enteignungen schon seit Jahren. Dazu ein Beitrag von 2004 von Journeyman Pictures: