Zunächst: Mich ärgert es immer, wenn unter weißen Namibiern jede Umbenennung als Beweis für den Untergang des Abendlandes, ja den Verfall des ganzen Landes herhalten soll. Wer sich gegen jegliche Änderung im öffentlichen Bild sperrt, der möchte die wohlhabenden Viertel von Namibias Städten mit ihren oft deutschen Straßennamen offenbar als eine Art europäische Außenposten erhalten, die heute die schwarze Bevölkerungsmehrheit zwar uneingeschränkt betreten (so liberal ist man ja dann wohl doch), aber tunlichst nicht verändern darf. Da wird gegen die Umbenennung der Uhlandstraße (heute Dr. Kenneth David Kaunda St) sofort hart prozessiert. Als wäre "Uhland" irgendwie namibisch. Und als verhieße es politische Stabilität, die Straßenkarte von Windhoek auf dem Stand von 1990 einzufrieren, dem Jahr, als Namibia endlich unabhängig und demokratisch wurde.
Straßen umzubenennen ist Symbolpolitik, keine Frage. Es geht um Symbole, die das Gesicht der jungen Nation Namibia prägen, es überhaupt erst gestalten. Selbstverständlich ist es richtig, dass die "Kaiserstraße" heute Independence Avenue heißt. Oder durch Klein-Windhoek die gebührend lange "Nelson Mandela Avenue" führt.
Zwei Mal Agostinho Neto für Windhoek
Was sich der Stadtrat von Windhoek aber jetzt - und wohl nicht durch Zufall im Vorfeld der Wahl dieses Jahr - leistet, ist geradezu eine Frechheit und brüskiert die eigenen Bürger. Offenbar wahllos wurden mehrere, den Charakter der Innenstadt prägende Straßen identifiziert und deren Umbenennung verkündet. Der größte Kracher, den die Stadtverwaltung diese Woche verabschiedet hat - wie immer ohne jegliche öffentliche Debatte und völlig überraschend - ist die Umbenennung der John-Meinert-Straße. Diese soll künftig "António Agostinho Neto St." heißen. Was ist daran so negativ?
Mehreres. Zugegeben: John Meinert war ein Deutschstämmiger, auch wenn der Name das nicht unbedingt auf den ersten Blick verrät. Doch er war mitnichten kolonialer Scharlatan, sondern Bürgermeister von Windhoek und Unternehmer. Als Rassist, Apartheid-Freund oder dergleichen hat er sich nicht hervorgetan. Zumindest, so weit das überliefert ist. Wenn nun seine Hautfarbe zum Makel erklärt werden soll, widerspricht das der Versöhnungspolitik.
Doch um die Hautfarbe geht es offenbar gar nicht, zumindest nicht primär. Die Straße wird einfach nur deswegen umbenannt, weil sie: lang ist. Hier kann die Regierungspartei Swapo also besonders gut ihre Hausmacht unter Beweis stellen. Und zwar mit diesem neuen Namen auch besonders eindrucksvoll. Sie hatte nämlich - und das ist die große Frechheit - vor wenigen Jahren bereits die Straße "Ausspannplatz Garten" südlich des Ausspannplatzes nach dem einstigen angolanischen Präsidenten benannt. Künftig soll es den Namen also doppelt geben, in nur ein paar Kilometer Entfernung. Der Stadtrat schafft für seine Bürger also eine vollkommen unnötige und sinnlose Verwirrung und Verwechslungsgefahr. Lebt künftig kürzer, wer in Windhoek eine Ambulanz in die "António Agostinho Neto St" bestellt?
Je länger der Straßenname, desto jünger die Umbenennung
Ganz doppelt ist der Name übrigens doch nicht. Am Ausspannplatz heißt die Straße schlicht "Agostinho Neto St". Ein paar Kilometer nördlich muss es mit der "António Agostinho Neto St." schon ein Dreiwort-Straßenname sein. Die Unsitte, Straßen mit riesenlangen Namen zu versehen, ist ein Windhoek bereits vor ein paar Jahren ausgebrochen. Da muss es gleich zehnsilbig "Hamutenya Wanahepo Ndadi St." (wie im Stadtteil Olympia) heißen, der Nachname allein reicht nicht. Der Name ist derart lang, dass er auf einigen Schildern sogar zu "H-Wanahepo Ndadi St." (oder gleich "H-Wanahepo Ndadi") verkürzt werden musste. Warum muss plötzlich jeder Zweit- und Drittname tunlichst mit auf das Schild?
Noch recht neu ist auch die Unsitte, bei neuen Namen gern auch noch ein "Dr." davor zu setzen. Auch der umbenannte "Omurambaweg" in Windhoek-Eros klingt mit seinem neuen Namen "General Murtala Muhammed Avenue" eher nach Bananenrepublik denn nach moderner Hauptstadt. Dieser Eindruck drängt sich einem besonders auf, wenn man weiß, dass es sich bei "Omuramba" um ein ur-namibisches Wort handelt (es ist das Herero-Wort für Rivier, also einen namibischen Trockenfluss), während General Murtala Muhammed irgendein General aus Nigeria ist. Von einer "Namibisierung" oder Dekolonialisierung kann hier also keine Rede sein - ganz im Gegenteil.
Der Stadtrat weiß es besser - eigentlich
In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit hat die Stadtverwaltung gezeigt, dass es anders geht: Sinnvoll benannte man nach dem Gründungspräsidenten eine Sam Nujoma Avenue (heute wäre es wohl eine "Dr. Samuel Daniel Shafiishuna Nujoma Avenue" - so heißt der Mann mit vollem Namen, und einen Doktortitel ehrenhalber hat er auch). Sinnvoll passte man den Komponist der namibischen Nationalhymne, Axali Doeseb, ins Ensemble der Musikernamen in Windhoek-West ein - und tilgte dafür Burengeneral Louis Botha aus der Apartheid-Ära, der zu den Künstlernamen ohnehin nicht passte).
Hier nimmt die Stadtverwaltung übrigens - als rühmliche Ausnahme dieser Umbenennungsrunde - ebenfalls eine durchdachte Umbenennung vor. Die "Storchstraße" (und ein Vogel passt ebenfalls nicht ins Musikerviertel) soll künftig
"Jackson Kaujeua St." heißen - nach einem namibischen Komponisten, ganz ohne XXL-Namen.
Wandel muss schon sein
Es dürfte klar sein, dass der Anteil "deutscher" und "weißer" Straßennamen zurückgefahren werden muss, wenn die Straßenkarte der Hauptstadt repräsentativer für die namibische Nation sein soll. Ganz tilgen muss man diese Namen deshalb noch lange nicht. Das ist allerdings auch gar nicht das erklärte Ziel der Verantwortlichen. So wäre gerade die Bahnhofstraße als politisch völlig neutraler Name im Vielvölkerstaat Namibia erhaltenswert gewesen - ja geradezu auch ein Stück historisches Namibia. Die Kreuzung Bahnhofstraße und Independence Avenue machte den friedlichen und von allen Bevölkerungsgruppen gewollten Wandel auch auf dem Straßenschild geradezu sinnfällig.
Weg damit! Denn künftig soll die Bahnhofstraße - sie ist ja zentral, lang und bedeutend - "José Eduardo Dos Santos St." heißen. Ebenfalls nach einem einstigen angolanischen Präsidenten. Wer Swapo-Freund ist, bekommt auch eine Straße, so einfach ist das inzwischen offenbar. Da muss man - anders als noch in Swakopmund - nicht mal Namibier sein, geschweige denn (General Murtala?) auch nur entfernt irgendwas mit dem Land zu tun haben.
Peter Müller muss weichen - und taucht dann wieder auf
Ein Kuriosum ist die Tatsache, dass unterhalb der Christuskirche die Peter-Müller-Straße (deutschstämmiger einstiger Windhoeker Bürgermeister) zugunsten einer "Fidel Castro Street" weichen musste, und der Stadtrat dann aber im vergangenen Jahr eine kurze Straße an der Maerua Mall "Peter Müller St" nach ebendiesem Mann tauft. Das schafft ebenfalls Verwirrung, zumal auf vielen Karten und auch bei Google Maps die jetzige Castro Street noch immer als Peter Müller Street angezeigt wird. Immerhin: Man kann das als Zeichen der Versöhnung gegenüber den Deutschstämmigen lesen.
Strittig wäre die Bismarckstraße. Als deutscher Reichskanzler einst Kolonialskeptiker, hat er sich unter Kaiser Wilhelm dann doch daran gemacht, Deutschland zu Kolonien zu verhelfen. Muss man ihn deshalb in Namibia tilgen? Nein - fand zumindest der Swapo-geführte Windhoeker Stadtrat ganze 25 Jahre lang. Nun soll auch er - kurz vor der Wahl - gehen. Und zwar für folgenden Namen: "Simoen Kambo Shixungileni St." Oder auch doch nicht? Der Antrag auf die Umbenennung wurde in diesem Fall vorerst vertagt. Vielleicht möchte noch jemand ein "Dr." davorschreiben.